Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
allerdings noch nicht zu Ohren gekommen ist, dass es in Deutschland Löwen gibt …«
Der Abt lachte.
»Gut beobachtet, mo mhic , es ist tatsächlich ein Bär. Ein Höhlenbär. Habt Ihr schon einmal davon gehört?«
»Nein«, sagte Jamie zuvorkommend, denn er begriff, dass dieses scheinbar belanglose Geplauder für den Abt auch eine Art war, hin und her zu gehen, während er das Gedicht in seinem Kopf wälzte. Außerdem hatte er keine Eile, zu seinen Begleitern zurückzukehren. Mit etwas Glück hatte ja der eine von ihnen den anderen bis zu seiner Rückkehr umgebracht und ihm damit das Leben leichter gemacht. Im Moment interessierte es ihn nicht besonders, wer von den beiden überlebte.
»Das waren wirklich Riesentiere. Stern hat mir die Maße des Schädels gesagt, und ich sage Euch, Mann, er war so lang wie der Abstand von Eurem Ellbogen bis zur Spitze Eures längsten Fingers – wohlgemerkt Eures, nicht meines«, fügte er grinsend hinzu und beugte zur Illustration seinen kurzen Arm.
»Leider aber inzwischen ausgestorben«, sagte er und schüttelte bedauernd den Kopf. »Es gibt zwar noch Bären in den deutschen Wäldern, aber mit dem Kameraden, dem dieser Zahn gehörte, haben sie nicht viel gemein. Stern glaubt, dass er mehrere tausend Jahre alt ist.«
»Oh, aye?«, sagte Jamie, weil er nicht so recht wusste, was er darauf sagen sollte.
Sein Blick hatte ein metallisches Glitzern auf dem Regal aufgefangen, und er kniff die Augen zusammen, um zu sehen, was es war. Es war ein Glaskästchen mit etwas Dunklem darin, in dessen Mitte es wiederum golden glänzte. Doch was …
»Oh, Ihr habt unsere Hand erspäht!«, sagte der Abt, entzückt, weil er Jamie noch eine seiner Kuriositäten präsentieren konnte. »Das ist etwas ganz Besonderes!«
Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Kästchen herunterzuholen, und winkte Jamie zu dem großen Tisch hinüber, der in das Sonnenlicht des offenen Fensters getaucht war. Eine blühende Kletterpflanze rankte sich um das Fenster, und draußen konnte er den Kräutergarten des Klosters sehen. Der schöne Frühlingstag strömte mit seinen süßen Düften herein – die allesamt verblassten, als der Abt das Kästchen öffnete.
»Torf?«, sagte Jamie, obwohl es daran keinen Zweifel geben konnte. Der eingerollte schwarze Gegenstand – der in der Tat eine menschliche Hand war, die am Handgelenk abgebrochen und dann getrocknet worden war – verströmte denselben beißenden Geruch, der jedes Kaminfeuer in Irland auszeichnete.
Der Abt nickte und drehte die Hand vorsichtig so, dass der Ring, der mit der Haut eines der knochigen Finger verschmolzen war, besser zu sehen war.
»Einer der Brüder hat sie in einem Sumpf gefunden. Wir wussten nicht, wem die Hand gehörte, aber es war eindeutig kein Bauer. Also haben wir ein bisschen weiter im Moor gestochert und haben natürlich Butter gefunden …«
»Butter? Im Sumpf?«
» Beannachtaí m’mhic , jeder steckt im Sommer seine Butter in den Sumpf, um sie zu kühlen. Hin und wieder vergisst eine Hausfrau die genaue Stelle – oder vielleicht stirbt sie auch, die Arme –, und da steckt die Butter dann in ihrem Eimerchen. Wir finden oft Butter, wenn die Laienbrüder Torf zum Verfeuern stechen. Nicht oft essbar«, fügte er bedauernd hinzu. »Aber erkennbar, selbst nach langer Zeit. Der Torf ist ein großer Bewahrer.« Er wies kopfnickend auf die Hand. »Und wie ich schon sagte, sind wir zu der Stelle zurückgekehrt und haben ein wenig gesucht und noch etwas Torf gestochen, und schließlich haben wir auch den Rest seiner Leiche gefunden.«
Jamie hatte plötzlich das seltsame Gefühl, als säße ihm jemand im Nacken, doch er kämpfte gegen das Bedürfnis an, sich umzusehen.
»Er hat auf dem Rücken gelegen, als hätte man ihn im Tod aufgebahrt. Er trug eine grobe Hose und einen Umhang, der am Hals mit einer kleinen Goldbrosche befestigt war. Apropos Hals, jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten und ihm den Schädel eingeschlagen, um wirklich nichts dem Zufall zu überlassen.« Der Abt lächelte, doch ohne den gewohnten Humor. »Und um ganz sicherzugehen, trug er noch ein dünnes Seil fest um den Hals geschlungen.«
Das Gefühl, jemanden im Rücken zu haben, war so stark, dass Jamie seine Haltung änderte, als sei sie ihm unbequem geworden, und sich bei dieser Gelegenheit hastig umsah. Natürlich war niemand da.
»Ihr sagt, Ihr sprecht kein Irisch – also sagt Euch auch Aided Diarnmata meic Cerbaill nichts? Oder Aided
Weitere Kostenlose Bücher