Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
erstickten Stöhnlaut auf und lächelte ihn an.
»Nun denn«, sagte er. »Fangen wir mit den einfachen Fragen an. Ihr hegt keinen regelmäßigen Verkehr mit jungen Frauen, hoffe ich? Gut. Fangt auch nicht damit an. Wenn Ihr meint, Ihr müsst – nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Fast hätte ich Euch empfohlen, Euch ein liebes Mädchen zu suchen und es zu heiraten, doch ich habe ja gesehen, wie es um Euch steht; Eure Frau ist noch bei Euch.« Sein Ton war vollkommen sachlich.
»Es wäre ungerecht einer jungen Frau gegenüber, wenn Ihr sie heiraten würdet, solange dies der Fall ist. Gleichzeitig jedoch dürft Ihr Euch nicht über die Maßen an das Gedenken Eurer Frau klammern; sie ist jetzt bei Gott geborgen, und Ihr müsst Euch um Euer Leben kümmern. Bald … aber werdet Ihr wissen, wann es richtig ist. Bis dahin lasst Euch nicht in Versuchung führen, aye?«
»Aye, Vater«, sagte Jamie gehorsam und dachte flüchtig an Betty. Er war ihr bis jetzt aus dem Weg gegangen und hatte gewiss nicht vor, das zu ändern.
»Kalte Bäder helfen. Das, und lesen. Nun, Euer Sohn …« Derselbe sachliche Ton, doch die Worte lösten ein atemloses Gefühl in Jamie aus, eine kleine Glücksblase in seiner Brust – die bei den nächsten Worten des Abtes platzte.
»Ihr dürft nichts tun, was ihn in Gefahr bringen würde.« Der Abt sah ihn ernst an. »Ihr habt kein Anrecht auf ihn, und nach allem, was Ihr sagt, ist er ja gut versorgt. Wäre es nicht besser – für Euch beide –, ihn zu lassen, wo er ist?«
»Ich …«, begann Jamie, der gar nicht wusste, wo er anfangen sollte, so viele Worte und Gefühle stürmten auf ihn ein, doch der Abt hob die Hand.
»Aye, ich weiß, Ihr habt gesagt, Ihr seid ein auf Ehrenwort begnadigter Gefangener – doch nach allem, was Ihr über diesen Dienst sagt, den Euch die Engländer abverlangen, scheint eine Chance zu bestehen, dass man Euch danach die Freiheit schenkt.«
Das dachte Jamie auch, und der Gedanke erfüllte ihn mit großer Verwirrung. Frei zu sein, war eine Sache – seinen Sohn zu verlassen, eine andere. Vor zwei Monaten wäre er vielleicht imstande gewesen zu gehen, weil er davon ausging, dass man sich gut um William kümmerte. Jetzt nicht mehr.
Er zwang das Gefühl der Verleugnung nieder, das die Worte des Abtes in ihm geweckt hatten.
»Vater – ich verstehe, was Ihr sagt. Aber … der Junge hat keinen Vater, keinen Mann, der … der ihm zeigt, wie man ein Mann wird. Sein Großvater ist ein ehrenwerter Herr, aber er ist schon sehr alt, und der Mann, der vor dem Gesetz sein Vater war … ist tot.« Er holte tief Luft; musste er beichten, dass er den alten Grafen getötet hatte? Nein. Er hatte es schließlich getan, um William das Leben zu retten, und das konnte keine Sünde sein. »Wenn ich nur eine Sekunde lang glauben würde, dass meine Anwesenheit eine Gefahr für ihn darstellen würde, statt ihm zu nutzen – ich würde sofort gehen. Doch ich glaube nicht, dass es Einbildung ist, wenn ich denke, dass … er mich braucht.«
Die letzten Worte kamen mit heiserer Stimme, und der Abt betrachtete ihn einen Moment, bevor er nickte.
»Ihr müsst um die Kraft beten, das Richtige zu tun – Gott wird sie Euch geben.«
Er nickte stumm. Schon zweimal hatte er um diese Kraft gebetet, und sie war ihm gewährt worden. Beide Male hatte er nicht geglaubt, dass er es überleben würde, doch hier war er nun. Wenn es zu einem dritten Mal kam, hoffte er, dass es kein Überleben gab.
»Ich dachte, Ihr hättet gesagt, dies wären die einfachen Fragen«, sagte Jamie und zwang sich zu lächeln.
Nicht ohne Mitgefühl verzog der Abt das Gesicht.
»Einfach zu sehen, was zu tun ist, habe ich gemeint. Nicht notwendigerweise einfach, es zu tun.« Er stand auf und strich sich ein pelziges Weidenkätzchen von der Schulter seiner Robe. »Kommt, gehen wir ein Stück. Am Ende wird man noch zu Stein, wenn man zu lange sitzt.«
Sie schritten langsam durch den Obstgarten, bis sie die Felder erreichten – einige dienten als Weiden für ein paar Schafe und die eine oder andere Kuh, andere waren eingesät, und die frischen Keimlinge überzogen die Furchen wie ein grüner Schleier. Sie folgten den Feldrainen, um die jungen Rüben und Kartoffelpflanzen nicht zu zertrampeln, bis sie schließlich zum Rand eines Sumpfes kamen.
Dies war ein richtiges Moor, nicht der matschige Lehm oder der aufgeweichte Boden, aus dem ganz Irland zu bestehen schien. Eine baumlose, graugrüne, unebene Landschaft, die sich
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