Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
eine gute halbe Meile vor ihnen ausstreckte bis hin zu einem kleinen Felsenhügel, auf dem sich eine verkrüppelte Kiefer wie ein Fähnchen im Wind wiegte. Denn kaum hatten sie den Schutz der Bäume verlassen, als sich der Wind erhob, der ihnen in den Ohren sang, die Enden von Vater Michaels Stola flattern ließ und an ihren Rockschößen zerrte.
Vater Michael winkte ihm zu, und als er ihm folgte, fand er einen hölzernen Pfad, der halb zwischen den mooserstickten Grasbüscheln eingesunken war, die zwischen den Tausenden kleinen Kanälen und Teichen wuchsen.
»Ich weiß nicht, wer diese Pfade einmal angelegt hat«, sagte der Abt, während seine Sandale die dünnen Planken betrat. »Sie sind schon seit Menschengedenken hier. Aber wir halten sie in Ordnung; sie sind der einzige sichere Weg durch das Moor.«
Jamie nickte; die Planken gaben zwar sacht nach, als er darauftrat, und durch die Ritzen sickerte Wasser empor. Doch sie trugen sein Gewicht, auch wenn seine Schritte den Sumpf am Rand des Pfades erbeben ließen und ihm die Fühler des Mooses neugierig entgegenzitterten.
»Dem Alten Volk war die Zahl Drei heilig, genau wie uns.« Vater Michaels halb gerufene Worte wehten mit dem Wind zu ihm zurück. »Sie hatten drei Gottheiten – den Gott des Donners, den sie Taranis nannten. Dann Esus, den Gott der Unterwelt – allerdings war für sie die Unterwelt nicht dasselbe wie für uns die Hölle, aber es war auf jeden Fall kein angenehmer Ort.«
»Und die dritte Gottheit?« Jamie umklammerte immer noch das Taschentuch des Abtes. Er wischte sich die Nase damit ab, die vom kalten Wind zu laufen begonnen hatte.
»Ah, das wäre dann …« Der Abt blieb nicht stehen, doch er tippte sich kräftig mit den Fingern gegen den Kopf, um seinen Gedanken nachzuhelfen. »Wer in aller Welt … Oh, natürlich. Die dritte Gottheit ist der jeweilige Stammesgott, es gibt also viele verschiedene Namen dafür.«
»Oh, aye.« Erzählte ihm der Abt das nur zum Zeitvertreib?, fragte er sich. Offensichtlich unternahmen sie diesen Spaziergang nicht ihrer Gesundheit wegen, und er wusste nur einen Grund, warum sie einen Sumpf überqueren sollten.
Er hatte recht.
»Nun, ein rechter Gott verlangt Opfer, nicht wahr? Und die alten Götter wollten Blut.«
Er hatte den Abt jetzt eingeholt und konnte ihn trotz des heulenden Windes gut hören. Es gab auch Vögel im Moor; er hörte den Ruf einer Schnepfe, schrill und hoch.
»Für Taranis haben sie zum Beispiel Kriegsgefangene in großen Weidenkäfigen verbrannt.« Der Abt sah sich nach Jamie um und lächelte. »Ein Glück für Euch, dass die Engländer heutzutage zivilisierter sind, nicht wahr?« Diese ironische Frage diente offensichtlich dazu, den Zweifel zu verbergen, den der Abt an der englischen Zivilisation hegte, und Jamie nahm dies mit einem ebenso ironischen Lächeln zur Kenntnis. Lebendig verbrannt zu werden … Nun, auch das hatten die Engländer getan. Sie hatten Katen und Felder in Brand gesteckt, ohne sich um die Frauen und Kinder zu kümmern, die sie damit zum Tode verurteilten – entweder durch das Feuer selbst oder durch Kälte und langsames Verhungern.
»Ja, ich kann mich glücklich schätzen, Vater.«
»Den Tod durch den Strang kennen sie aber noch – die Engländer«, sagte der Abt nachdenklich. Es war zwar keine Frage, doch Jamie grunzte zustimmend.
»Das war die Methode, die von Esus bevorzugt wurde – Erhängen oder Erdolchen. Manchmal auch beides.«
»Nun, das Erhängen wirkt nicht immer«, erwiderte Jamie etwas angespannt. »Manchmal überlebt man es. Was auch der Grund ist«, fügte er hinzu, um den Abt in die Richtung zu steuern, auf die er hinauszuwollen schien, »warum die Henker Eurer Moorleiche dem Mann das Seil stattdessen um den Hals geschlungen haben. Obwohl ich gedacht hätte, der eingeschlagene Schädel, die durchgeschnittene Kehle und das Ertränken – falls er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch atmete und ertrinken konnte – hätten auch so gereicht.«
Der Abt nickte unbeeindruckt. Der Wind riss an den Strähnen seines weißen Haars und ließ sie rings um seine Tonsur tanzen wie das Baumwollgras, das am Rand des Holzpfades wuchs.
»Teutates«, sagte er triumphierend. »Das ist zumindest der Name eines Stammesgottes. Aye, er hat seine Opfer im Wasser umarmt – sie wurden zum Beispiel in heiligen Brunnen ertränkt. Hier entlang.« Er hatte eine Stelle erreicht, an der sich der Holzweg gabelte und die eine Hälfte auf den kleinen Hügel zulief, die
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