Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
andere auf ein klaffendes Loch im Moor. Das musste die Stelle sein, an der die Mönche ihren Torf stachen, vermutete Jamie – und an der sie die Moorleiche gefunden hatten, zu deren Grab sie zweifellos unterwegs waren.
Warum?, fragte er sich beklommen. Der Abt hatte angedeutet, dass diese Expedition mit Jamies Beichte zu tun hatte – und dass es nicht einfach sein würde, was auch immer es war.
Noch war er nicht von seinen Sünden freigesprochen. Und so folgte er dem Abt, als sich dieser dem Hügel zuwandte.
»Ich dachte mir, ich sollte ihn nicht wieder genau an dieselbe Stelle legen, an der er gefunden worden war«, erklärte Vater Michael, während er sich mit der Hand die wehenden Haarsträhnen glättete. »Aber am Ende hätte ihn nur irgendein Torfstecher wieder ausgegraben, und die ganze Geschichte wäre von vorn losgegangen.«
»Also habt Ihr ihn unter den Hügel gelegt«, sagte Jamie, und bei dieser Formulierung lief es ihm plötzlich kalt über den Rücken. So stand es in dem Gedicht »Der König unter dem Berg«, und soweit er wusste, war das »Volk unter dem Hügel« das Alte Volk, das Feenvolk. Der Wind hatte ihm den Mund ausgetrocknet, und er musste erst schlucken, bevor er weitersprach. Doch bevor er seine Frage stellen konnte, bückte sich der Abt, um sich die Sandalen auszuziehen, schürzte seine Robe und hüpfte voraus.
»Hier entlang«, rief er hinter sich. »Das letzte kleine Stück müssen wir waten.« Jamie murrte zwar, vermied aber sorgfältig jedes gotteslästerliche Wort, während er Schuhe und Strümpfe auszog und vorsichtig den Schritten des Abtes folgte.
Er war doppelt so kräftig wie der Abt; nie im Leben würde der Priester imstande sein, ihn herauszuziehen, falls er in ein Schwingmoor trat und versank.
Das dunkle Wasser quoll ihm zwischen den nackten Zehen auf, kalt, aber nicht unangenehm. Er konnte den nachgiebigen Torf darunter spüren, der ihn mit seiner schwammigen Oberfläche kitzelte. Bei jedem Schritt sank er knöcheltief ein, aber nicht weiter, und schließlich ging er am Fuß des kleinen Hügels an Land, unbeschadet bis auf ein paar Spritzer auf seiner Hose.
»Nun denn«, sagte Vater Michael und wandte sich ihm zu. »Der schwierige Teil.«
VATER MICHAEL FÜHRTE IHN ZUR SPITZE des kleinen Hügels, und dort stand unter der Kiefer ein schlichter Sitz, der aus Naturstein gehauen war. Er war mit blauen, grünen und gelben Flechten gesprenkelt und stand eindeutig schon seit Jahrhunderten dort.
» Árd chnoc – der Thron, auf dem die Könige dieser Gegend vor den Göttern eingesetzt wurden«, sagte der Priester und bekreuzigte sich. Jamie tat es ihm nach, denn er war unerwartet beeindruckt. Dieser Ort war schon sehr alt, und der Stein schien von tiefem Schweigen erfüllt zu sein; selbst der Wind über dem Moor war verstummt, und er konnte sein Herz in seiner Brust schlagen hören, langsam und regelmäßig.
Vater Michael griff in den Lederbeutel, den er an seinem Gürtel trug, und zu Jamies Bestürzung zog er den juwelenbesetzten Holzkelch heraus, den er sanft auf den antiken Thron stellte.
»Ich weiß, was Ihr einmal gewesen seid«, sagte er zu Jamie. »Euer Onkel Alex hat mir Briefe mit Neuigkeiten von Euch geschrieben, während des Aufstands. Ihr wart ein großer Krieger des Königs. Des rechtmäßigen Königs.«
»Das ist lange her, Vater.« Allmählich wurde ihm beklommen zumute, und das nicht nur wegen des Kelches, selbst wenn ihm bei dessen Anblick auch jetzt wieder die Nackenhaare zu Berge standen.
Der Abt richtete sich auf und betrachtete ihn abschätzend.
»Ihr seid ein Mann in den besten Jahren, Shéamais Mac Bhrian «, sagte er. »Ist es recht, dass Ihr Eure Kraft verschwendet und Eure Gabe, Männer zu führen?« Guter Gott, er will, dass ich es tue , dachte Jamie erschüttert. Dass ich dieses verfluchte Ding nehme und tue, was Quinn will .
»Ist es denn recht, wenn ich Männer in den Tod führe, um einer nutzlosen Sache willen?«, fragte er so scharf, dass der Abt blinzeln musste.
»Nutzlos? Die Sache der Kirche, die Sache Gottes? Den gesalbten König wieder einzusetzen und den Fuß der Engländer aus dem Nacken Eures Volkes und des meinen zu entfernen?«
»Nutzlos, Vater«, sagte er und rang um Ruhe, obwohl sich bei dem Gedanken an den Aufstand in Schottland jede Muskelfaser anspannte, die er besaß. »Ihr wisst, was ich war, sagt Ihr. Aber Ihr wisst nicht, was ich gesehen habe, was sich dort zugetragen hat. Ihr habt nicht mit angesehen, was hinterher
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