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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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geschehen ist, als die Clans zermalmt wurden – zermalmt, Vater! Als sie …« Er hielt abrupt inne und schloss die Augen, die Lippen fest zusammengepresst, bis er die Beherrschung wiederfand.
    »Ich habe mich versteckt gehalten«, sagte Jamie kurz darauf. »Auf meinem eigenen Land. Habe mich sieben Jahre in einer Höhle versteckt, aus Angst vor den Engländern.« Er holte tief Luft und spürte, wie die Narben auf seinem Rücken brannten. Er öffnete die Augen und sah den Priester unverwandt an.
    »Eines Nachts bin ich hinuntergestiegen, um zu jagen, etwa ein Jahr nach Culloden. Ich kam an einer niedergebrannten Kate vorbei, an der ich schon hundertmal vorbeigekommen war. Doch der Regen hatte den Pfad ausgespült, und ich bin ausgewichen – und auf sie getreten.« Er schluckte, als er sich daran erinnerte, wie ihm beim Knacken des brechenden Knochens unter seinem Fuß fast das Herz stehen geblieben wäre. Die furchtbar zarten winzigen Rippen, die Knochensprenkel, die einmal Hände gewesen waren und jetzt umherlagen wie Kieselsteine.
    »Ein kleines Mädchen. Sie lag schon seit Monaten dort … Füchse und Krähen hatten … Ich wusste nicht, welche von ihnen es war. Es hatten drei Kinder dort gelebt, drei kleine Mädchen, ungefähr gleich alt, mit braunem Haar – es war alles, was noch von ihr übrig war, ihr Haar … so dass ich nicht sagen konnte, ob es Mairi war oder Beathag oder die kleine Cairistiona – ich …« Er brach abrupt ab.
    »Ich habe ja gesagt, dass es schwierig wird«, sagte der Priester leise, ohne den Blick abzuwenden. Seine Augen waren dunkel, ihr Leuchten überschattet, aber unbeirrt. »Glaubt Ihr nicht, dass ich solche Dinge hier nicht auch erlebt habe?«
    »Wollt Ihr sie erneut erleben?« Seine Hände hatten sich unbewusst zu Fäusten geballt.
    »Werden sie denn aufhören?«, fuhr ihn der Priester an. »Wollt Ihr Eure und meine Landsleute dazu verdammen, diese Grausamkeiten zu ertragen, das Joch der Rotröcke zu erdulden, weil Euch der Wille fehlt? Ich hatte aus Alexanders Briefen nicht geschlossen, dass es Euch an Mut fehlt, aber vielleicht ist seine Einschätzung ja falsch gewesen.«
    »O nein, Vater«, sagte er, und seine Stimme kam aus tiefster Kehle. »Das braucht Ihr mit mir nicht zu versuchen. Aye, ich weiß, wie man Männer anführt und wie man sie verleitet. Mich verleitet Ihr nicht.«
    Vater Michael prustete halb belustigt auf, doch seine Augen blieben dunkel.
    »Ist es der Junge?«, fragte er. »Ihr kehrt Eurer Pflicht den Rücken – der Aufgabe, zu der Euch Gott berufen hat! –, um den Engländern als Speichellecker zu dienen und ihre Ketten zu tragen, um Euch um ein Kind zu kümmern, das Euch nicht braucht und das niemals Euren Namen tragen wird?«
    »Nein«, sagte Jamie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich habe meine Heimat und meine Familie schon einmal verlassen, um meine Pflicht zu tun. Ich habe dabei meine Frau verloren. Und ich habe gesehen, wohin diese Pflicht geführt hat. Hört auf mich, Vater – wenn es zum Krieg kommt, wird es diesmal nicht anders sein. Es. Wird. Nicht. Anders. Sein!«
    »Nicht, wenn Männer wie Ihr es nicht riskieren! Hört mir gut zu – es gibt die Sünde der Unterlassung genauso wie die Sünde der Tat. Und denkt doch nur an das Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Wollt Ihr am Jüngsten Tag vor Gott treten und ihm sagen, dass Ihr seine Gaben an Euch verschmäht habt?«
    Ganz plötzlich begriff Jamie, dass Vater Michael Bescheid wusste. Was oder wie viel er wusste konnte Jamie nicht sagen – doch die Nachricht von Quinns Machenschaften passte wahrscheinlich zu anderen Dingen, die Vater Michael über die irischen Jakobiten wusste. Dies war nicht das erste Mal, dass er von den Vorgängen hörte, darauf hätte Jamie geschworen.
    Er sammelte sich und unterdrückte seine aufbrausende Stimmung. Der Mann tat ebenfalls nur seine Pflicht – so wie er sie sah.
    »Gibt es hier in der Nähe einen solchen aufrechten Stein?«, fragte er und wies mit dem Kinn auf den Kelch. Dort, wo er stand, konnte er die Schnitzerei mit dem gespaltenen Stein nicht sehen, doch er hatte ein Gefühl im Nacken, als wehte ein kalter Wind – und die Äste der Kiefer regten sich nicht.
    Vater Michael reagierte verblüfft auf diesen plötzlichen Themenwechsel.
    »Ich – nun … aye, es gibt einen.« Er wandte den Kopf nach Westen, wo die Sonne langsam hinter einer Wolkenbank versank, rot wie eine frisch abgefeuerte Kanonenkugel, und er zeigte mit dem Finger über den Rand

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