Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Er gehörte zu einer Eurer Kompanien in Quebec.«
»Carruthers«, wiederholte Siverly in leicht fragendem Tonfall – doch man konnte seinem Gesicht ansehen, dass ihm der Name vertraut war.
»Er hatte eine verkrüppelte Hand«, sagte Grey. Er hasste es, Charlie auf eine solche Beschreibung zu reduzieren, doch es war der schnellste und sicherste Weg zum Ziel.
»O ja, natürlich.« Siverlys breite, pockennarbige Stirn runzelte sich ein wenig. »Aber er ist doch tot. Ich bin mir sicher, dass ich gehört habe, dass er gestorben ist. An den Masern? An irgendeiner Krankheit.«
»Leider ist er tot.« Greys Hand fuhr in seinen Rock, und er hoffte, dass er noch wusste, in welche Tasche er das zusammengefaltete Blatt Papier gesteckt hatte. Er zog es heraus, behielt es aber vorerst in der Hand, statt es Siverly zu reichen.
»Kennt Ihr zufällig meinen Bruder?«
»Euren Bruder?« Jetzt sah Siverly unverhohlen verwundert aus. »Den Herzog? Natürlich. Ich meine, ich habe von ihm gehört; wir sind nicht persönlich miteinander bekannt.«
»Ja. Nun, er befindet sich in Besitz einer recht seltsamen Ansammlung von Dokumenten, die von Hauptmann Carruthers zusammengetragen wurden. Und die Euch betreffen.«
»Mich? Was zum Teufel …« Siverly riss Grey das Blatt aus der Hand, und die Wut flackerte so plötzlich in seinen Augen auf, dass Grey sich augenblicklich vorstellen konnte, wie sich einige der Ereignisse, die Charlie beschrieben hatte, zugetragen hatten. Siverlys Brutalität brodelte dicht unter der Oberfläche; er begriff nur zu gut, wie es möglich gewesen war, dass Siverly Jamie Fraser um ein Haar umgebracht hätte.
Siverly las die Seite hastig durch, zerknüllte sie und warf sie zu Boden. Auf seiner Schläfe zeichnete sich eine Ader ab und pulsierte bläulich unter seiner Haut, die eine unangenehme dunkelrote Farbe angenommen hatte.
»Was ist das für ein Unsinn?«, sagte er, und seine Stimme war belegt vor Wut. »Wie könnt Ihr es wagen, mir etwas zu bringen, was ein solch unfassbarer, schwachsinniger …«
»Leugnet Ihr etwa, dass etwas Wahres an Hauptmann Carruthers’ Bericht ist?« Es war eine Seite, die sich mit den Ereignissen befasste, die zu der Meuterei in Kanada geführt hatte. Es gab Seiten, die viel schlimmere Vorwürfe enthielten – und zwar reichlich –, doch Grey hatte es für besser gehalten, mit etwas Eindeutigem zu beginnen.
»Ich leugne, dass Pardloe auch nur im Mindesten das Recht hat, meine Handlungen in Zweifel zu ziehen! Und was Euch betrifft, Sir …« Siverly baute sich plötzlich mit geballten Fäusten vor Grey auf. »Ihr seid ein Dummkopf, der seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen! Geht mir aus den Augen.«
Ehe sich Grey bewegen oder etwas sagen konnte, war Siverly auf dem Absatz herumgefahren und davongestampft wie ein Ochse, dessen Schwanz in Flammen steht.
Grey blinzelte, begriff verspätet, dass er die Luft anhielt und atmete aus. Das Sommerhaus stand keine zehn Meter von ihm entfernt; er setzte sich auf die Treppe, um sich zu sammeln.
»So viel zum Thema sanfte Überredung«, murmelte er. Siverly ging bereits über den Rasen und pflügte auf das Haus zu, wobei er hin und wieder wütend vor sich hin gestikulierte.
Es war offensichtlich, dass sie nach einem anderen Plan vorgehen mussten. Bis dahin jedoch gab es noch vieles zu bedenken. Edward Twelvetrees zum Beispiel. Und die Truhe mit den Eisenbeschlägen.
Grey diente seit seinem sechzehnten Lebensjahr in dieser oder jener Form in der Armee. Er wusste, wie die Bücher eines Zahlmeisters aussahen – ebenso wie seine Truhe. Twelvetrees und Siverly waren eindeutig gemeinsam in etwas verwickelt, das die Verteilung von Geldern – und zwar in nicht unbeträchtlichem Ausmaß – an eine Reihe von Individuen beinhaltete.
Siverly war jetzt im Haus verschwunden. Grey blieb noch eine Weile sitzen und überlegte, kam jedoch zu keinem endgültigen Schluss. Siverly würde ihm offensichtlich nichts über seine Zahlmeistertruhe erzählen. Vielleicht lohnte es sich, nach Brampton Court zu reiten – der Butler hatte ja gesagt, dass Twelvetrees dort wohnte – und zu versuchen, dem anderen Verschwörer etwas zu entlocken. Er war sich zumindest einigermaßen sicher, dass Twelvetrees nicht einfach so versuchen würde, ihn umzubringen. Obwohl es nicht schaden würde, einen Dolch mitzunehmen.
Gerade als sich Grey erhob, kam Twelvetrees selbst aus dem Haus. Er blickte über den Rasen hinweg und sah Grey vor dem Sommerhaus sitzen.
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