Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
soll ich es denn sonst getan haben?«
Fraser sah ihn forschend an. Grey spürte seinen Blick wie eine Berührung, ein seltsames Gefühl, doch er ließ sich nichts anmerken. Zumindest hoffte er das.
»Ihre Durchlaucht sagt, Ihr habt es aus Freundschaft zu mir getan«, sagte Fraser schließlich leise. »Und ich bin geneigt zu glauben, dass sie recht hat.«
»Ihre Durchlaucht sollte sich um ihre eigenen verflixten Angelegenheiten kümmern.« Grey wandte sich abrupt ab und setzte sich wieder in Bewegung. Fraser holte ihn innerhalb weniger Meter ein, seine Schritte gedämpft auf dem sandigen Weg. Vor den großen Häusern huschten kleine Gestalten durch die Lichtkegel der Laternen: zum Großteil Kinder, die die Pferdeäpfel auf dem Reitweg einsammelten.
Grey war der feine Unterschied nicht entgangen: » Aus Freundschaft zu mir « statt des simpleren – und weitaus bedrohlicheren – » für mich «. Er wusste nicht, ob es Minnie gewesen war oder Fraser, der diesen Unterschied formuliert hatte, doch es war wohl auch nicht wichtig. Beides war wahr, und wenn Fraser die distanziertere Wortwahl vorzog, konnte er das gern tun.
»Wir sind beide schuld an seinem Tod«, wiederholte Fraser hartnäckig. »Doch für ihn selbst gilt das ebenso.«
»Inwiefern? Er konnte doch Eure Vorwürfe nicht einfach auf sich beruhen lassen. Und er hätte Euch nicht einmal unter vier Augen sagen können, wo er tatsächlich stand.«
»Doch, das hätte er«, verbesserte ihn Fraser, »nur, dass er es als seine Pflicht betrachtete, es nicht zu tun.«
Grey sah ihn ausdruckslos an. »Natürlich.«
Fraser wandte den Kopf ab, doch Grey glaubte, im Schatten den Hauch eines Lächelns zu entdecken. »Ihr seid doch Engländer«, sagte Fraser trocken. »Und er war es auch. Und wenn er am Ende nicht versucht hätte, Euch umzubringen …«
»Das musste er doch«, unterbrach ihn Grey. »Sonst hätte er mich nur auffordern können, mich zu ergeben – und er wusste verdammt genau, dass ich das nicht tun würde.«
Fraser nickte zustimmend. »Habe ich nicht gesagt, dass das alles ganz logisch ist?«
»Doch, das habt Ihr. Aber …« Er verstummte. Überwältigt von seiner eigenen Reue war es ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass das, was Fraser gesagt hatte, die Wahrheit war: auch Fraser trug eine Mitschuld an Twelvetrees’ Tod – und er teilte seine Reue.
»Aye, aber«, sagte Fraser und seufzte. »Ich hätte es genauso gemacht. Doch ihr habt schon öfter Menschen getötet, und zwar wahrscheinlich bessere Menschen als Twelvetrees.«
»Das ist gut möglich. Doch ich habe sie – als Feinde getötet. Weil es meine Pflicht war.« Wäre das alles genauso gekommen, wenn Esmé und Nathaniel nicht gewesen wären? Ja, wahrscheinlich schon.
»Ihn habt Ihr doch auch als Feind getötet, oder nicht? Die Tatsache, dass er in Wahrheit keiner war, ist ja nicht Eure Schuld.«
»Das ist eine sehr fadenscheinige Argumentation.«
»Das heißt aber nicht, dass es nicht stimmt.«
»Glaubt Ihr etwa, Ihr könnt meine Schuld wegdiskutieren? Das Grauen, die Bedrückung?«, wollte Grey verärgert wissen.
»Genau das glaube ich, aye. Es ist nämlich nicht möglich, zur selben Zeit drängende Emotionen zu hegen und ein rationales Gespräch zu führen.«
»O doch, das ist es«, begann Grey erhitzt, doch da es jenes unglückselige Gespräch im Stall von Helwater war, das sein bestes Beispiel gewesen wäre, wechselte er den Kurs. »Glaubt Ihr wirklich, dass alle leidenschaftlichen Worte unlogisch sind? Was ist dann mit der verdammten Deklaration von Arbroath?«
»Möglich, dass einem die Idee zu einer Rede im Bann der Leidenschaft kommt«, räumte Fraser ein, »doch die Rede selbst wird zum Großteil kaltblütig verfasst. Die Deklaration wurde von mehreren Männern geschrieben – oder zumindest unterzeichnet. Sie können nicht alle rasend vor Leidenschaft gewesen sein, als sie es taten.«
Grey musste lachen, wenn auch nur kurz, dann schüttelte er den Kopf.
»Ihr wollt mich nur vom Thema ablenken.«
»Nein«, sagte Fraser nachdenklich. »Ich glaube, ich will Euch auf das eigentliche Thema bringen – nämlich: Wie sehr man sich auch bemühen mag, das Richtige zu tun, es kommt nicht immer das dabei heraus, was man vorhersieht oder sich wünscht. Und das ist Grund zum Bedauern – manchmal sehr großem Bedauern«, fügte er etwas sanfter hinzu, »nicht aber für lebenslange Schuld. Und genau hier müssen wir uns der Gnade Gottes anvertrauen und hoffen, dass sie uns
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