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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zurück. Grey zog sich in den Wintergarten zurück, Hal in seine Arbeitshöhle. Sie sprachen mit niemandem.
    Jamie, der Mitgefühl mit den Greys empfand – und durchaus auch mit den Twelvetrees’ –, nahm Platz in seinem Lieblingssessel in der Bibliothek, holte seinen Rosenkranz heraus und betete einige Dekaden für den Seelenfrieden aller Beteiligten. Es gab schließlich Situationen, in denen man einfach nicht anders konnte, als sie Gott zu überlassen, weil ihnen keine menschliche Institution gewachsen war.
    Doch er verlor immer wieder den Faden, abgelenkt durch die Erinnerung an den Anblick der Greys, die Schulter an Schulter gemeinsam aufgebrochen waren, um sich dem Unvermeidlichen zu stellen. Und durch den Gedanken an Reginald Twelvetrees, der in aller Stille um den Verlust zweier Brüder trauerte.
    Er selbst hatte seinen Bruder verloren, als er noch sehr klein war; Willie war elf gewesen, als er an den Pocken starb – Jamie sechs. Er dachte nicht oft an Willie, doch der Schmerz über seinen Verlust war sein ständiger Begleiter, gemeinsam mit den anderen Narben, die sich auf seinem Herzen bildeten, wann immer ihm jemand entrissen wurde. Er beneidete die Greys umeinander.
    Doch der Gedanke an Willie erinnerte ihn zudem an einen anderen William, und seine Stimmung hob sich ein wenig. Wenn einem das Leben einen geliebten Menschen raubte, schenkte es einem manchmal einen anderen. Ian Murray war nach Williams Tod sein Blutsbruder geworden; irgendwann würde er Ian wiedersehen, und bis dahin tröstete ihn das Wissen, dass es ihn gab – und dass er sich um Lallybroch kümmerte. Und sein Sohn …
    Wenn dies vorüber war – und er betete, dass es bald sein würde –, würde er William wiedersehen. In seiner Nähe sein. Vielleicht …
    »Sir.«
    Im ersten Moment begriff er gar nicht, dass der Butler ihn meinte. Doch Nasonby wiederholte sein »Sir«, diesmal beharrlicher, und als er aufblickte, hielt ihm der Butler sein Silbertablett entgegen, auf dem ein grobes Blatt Papier lag, das mit einem Klecks Kerzenwachs versiegelt und mit dem Abdruck eines breiten Daumens gekennzeichnet war.
    Er bedankte sich mit einem Kopfnicken, nahm das Blatt entgegen, steckte den Rosenkranz ein und begab sich mit dem Brief hinauf in sein Zimmer. Im regengrauen Licht des Fensters öffnete er ihn und fand eine Notiz, die mit großer Eleganz und Sorgfalt zu Papier gebracht worden war und nicht recht zu dem schlichten Material passen wollte.
    Shéamais Mac Bhrian , lautete die Anrede. Auch der Rest war irisch, doch es fiel ihm nicht schwer, ihn zu verstehen:
    Um der Liebe Gottes, Marias und Patricks willen, komm sofort zu mir .
    Tobias Mac Gréagair
    von den Quinns aus Portkerry
    Am Fuß der Seite war eine saubere Linie gezogen, auf der mehrere Kästchen prangten, und darunter stand: Civet Cat Alley. Eins der Kästchen war angekreuzt.
    Ein außerordentliches Gefühl durchfuhr ihn, kaltes Grauen, das sich wie eine eisige Decke über ihn legte. Dies war mehr als Quinns übliche Dramatik – und schon gar nicht der bewusste Schabernack jener Notiz, in der er Grey des Mordes bezichtigt hatte. Die Schlichtheit dieser einen Zeile und die Tatsache, dass er sie formell unterzeichnet hatte, zeugten von unleugbarer Dringlichkeit.
    Er war schon auf halbem Weg nach unten, als ihm Lord John auf der Treppe entgegenkam.
    »Civet Cat Alley, wo ist das?«, fragte er abrupt. Grey blinzelte, warf einen kurzen Blick auf den Brief in Jamies Hand und sagte dann: »Im Irenviertel, das sie Rookery nennen. Ich war schon einmal dort. Soll ich Euch hinbringen?«
    »Ich …« Er hatte schon angesetzt zu sagen, dass er allein gehen würde, doch er kannte sich in London nicht aus. Wenn er zu Fuß ging und sich durchfragte, würde er sehr lange brauchen. Und er war von der Gewissheit erfüllt, dass er nicht viel Zeit hatte.
    Er war zutiefst nervös. Drohte Quinn etwa die Festnahme? Falls ja, war es besser, wenn er Grey nicht mit zu ihm nahm, aber … Oder war es möglich, dass die jakobitischen Verschwörer, die ja nun wussten, dass man sie verraten hatte, sich in den Kopf gesetzt hatten, dass Quinn der Verräter war? O Jesus. Wenn das der Fall war …
    Und doch nahm er irgendwo in den dunklen Kammern seines Herzens ein metallisches Echo wahr, einen Klang der Verdammnis, so leise und unausweichlich wie das Ticken von Greys Taschenuhr. Quinns Leben, das Sekunde um Sekunde verstrich.
    »Ja«, sagte er abrupt. »Sofort.«
    NATÜRLICH HATTE ER ES GEWUSST , im selben Moment,

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