Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
leicht einwickeln lassen wie die Damen der Gesellschaft.
»Was man sich im Regiment so erzählt«, sagte Harry und tat es mit einer ausschweifenden Handbewegung ab. Er schüttete Kaffee in seine Untertasse und pustete darauf, so dass duftende Dampfwölkchen von dem dunklen Gebräu aufstiegen. »Irgendwann habe ich ihn aber dazu bekommen, mir von Siverly zu erzählen. Er respektiert Siverly, mag ihn jedoch nicht besonders. Hat den Ruf eines guten Soldaten und Kommandeurs. Geht nicht leichtfertig mit dem Leben seiner Männer um … Was?«
Beide Greys hatten Geräusche ausgestoßen. Hal sah Harry an und winkte ab.
»Ich erzähle es dir später. Weiter. Hat er etwas über die Meuterei in Kanada gesagt?«
»Nein.« Harry zog eine Augenbraue hoch. »Aber wie sollte er das? Sie wurde ja nicht vor ein allgemeines Kriegsgericht gebracht, und wenn es eine Regimentsangelegenheit war …«
Grey nickte; Regimenter hielten ihre Kriegsgerichte normalerweise unter Verschluss ab, denn kein Regiment wollte seine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen. Gleichfalls hätte die Öffentlichkeit wohl kaum Interesse an solchen Verhandlungen gehabt, die sich größtenteils mit den alltäglichen Verbrechen und Vergehen gemeiner Soldaten befassten: Trunkenheit, Diebstahl, Schlägereien, Widersetzlichkeiten, unerlaubtes Entfernen aus der Kaserne und Verkauf von Uniformen. Allgemeine Kriegsgerichte waren etwas anderes, obwohl sich Grey nicht sicher war, worin die Unterschiede bestanden, da er noch nie in ein solches Tribunal verwickelt gewesen war. Er vermutete, dass ein Disziplinaradvokat der Armee daran beteiligt sein musste.
»Er wurde noch nicht vor ein allgemeines Kriegsgericht gebracht«, sagte Hal grimmig.
Harry kniff die Augen zusammen, spitzte die Lippen und nippte an seinem Kaffee. Er roch gut, und Grey griff nach der Kanne.
»Wirklich?«, sagte Harry. »Das ist es also, was uns vorschwebt, wie?« Hal hatte Harry per Brief von ihrem Interesse an Siverly in Kenntnis gesetzt und ihn gebeten, so viel wie möglich über den Mann herauszufinden – doch Grey, der mit Hals Briefen vertraut war, vermutete, dass dieser nicht sehr ins Detail gegangen war.
»Natürlich«, sagte Hal. »Nun, was sonst noch?« Er nahm sich ein Plätzchen und betrachtete es kritisch, bevor er es in den Mund steckte.
»Siverly ist im Regiment nicht übermäßig beliebt, aber er ist auch nicht unbeliebt«, sagte Harry. »Gesellschaftsfähig, aber er nutzt es nicht. Man lädt ihn zwar ein, aber er nimmt nur hin und wieder an. Hat eine Frau, lebt aber nicht mit ihr zusammen. Sie hat etwas Geld mit in die Ehe gebracht, aber nicht viel, und hat keine nennenswerten Kontakte.«
»Und er selbst?«, fragte Grey mit halb vollem Mund. Die Plätzchen waren Pfeffernüsse, frisch gebacken und noch ofenwarm. »Hat er Familie?«
»Ah«, sagte Harry und warf Hal einen kurzen Blick zu. »Nichts Nennenswertes. Sein Vater war Hauptmann im Elften Dragonerregiment, in Spanien umgekommen. Mutter die Tochter einer wohlhabenden irischen Familie, aber vom Land, ohne Einfluss.«
» Aber ?«, sagte Hal scharf, denn Harrys Blick war ihm nicht entgangen. »Er hat einflussreiche Freunde?«
Harry holte so tief Luft, dass seine Weste anschwoll, und lehnte sich zurück.
»O ja«, sagte er. »Ist Euch der Herzog von Cumberland einflussreich genug?«
»Er reicht fürs Erste«, sagte Hal mit hochgezogenen Augenbrauen. »In welcher Verbindung stehen sie denn?«
»Sie gehen zusammen auf die Jagd. Siverly hat ein Anwesen in Irland, auf dem Seine Durchlaucht einige Male zu Gast gewesen ist. Gemeinsam mit einigen seiner engen Vertrauen.«
»Ein Anwesen? Geerbt?«, fragte Grey.
»Nein gekauft. Vor relativ kurzer Zeit.«
Hal stieß ein leises Summen aus, das von Genugtuung zeugte. Selbst in Irland konnte Siverly kein großes Anwesen von seinem Sold gekauft haben. Carruthers’ Berichten zufolge hatten Siverlys Unternehmungen in Kanada ihm über dreißigtausend Pfund eingebracht.
»Sehr gut«, sagte er. »Das sollte das Hohe Gericht wohl beeindrucken.«
»Nun, vielleicht«, sagte Harry und schnippte sich die Krümel vom Bauch. »Wenn es Euch denn gelingt, ihn vor ein solches Gericht zu bringen.«
»Wenn nötig lasse ich ihn festnehmen und mit Gewalt vor Gericht zerren.«
Harry stieß ein Geräusch aus, das auf Zweifel schließen ließ, und Hal sah ihn scharf an.
»Ihr glaubt nicht, dass ich das tun würde? Dieser Verbrecher ist eine Schande für seinen Berufsstand, und sein
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