Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
hielten?
Er wusste, dass es unter den reichen Engländern Sitte war, Kinder in Korsette zu stecken – um ihre Körper in die steilschultrige, hochbrüstige Figur zu pressen, die man für modisch hielt. In den Highlands gab es so etwas nicht, außer vielleicht unter den Adligen. Das verhasste Kleidungsstück – er konnte spüren, wie sich die harte Kante in die weiche Haut unter Willies Achselhöhle drückte – weckte in Jamie den Wunsch, dem Pferd die Sporen zu geben, geradewegs nach Schottland zu reiten und unterwegs nur anzuhalten, um es ihm auszuziehen und es im Vorbeireiten in den Weiher zu schleudern.
Natürlich konnte er das nicht tun, und so ritt er weiter, einen Arm fest um William gelegt, während er vor Wut kochte.
»Er biedert sich an«, murmelte Betty und lenkte ihn von seinen finsteren Gedanken ab, »aber Lady D stellt sich dumm. Arme Isobel!«
»Häh?«
Sie nickte stumm in die entsprechende Richtung, und er blickte nach vorn, wo Mr Wilberforce zwischen den beiden Damen herritt und hin und wieder einen raschen, besitzergreifenden Blick auf Isobel warf, seinen gewinnenden Charme aber zum Großteil an Lady Dunsany versuchte. Welche, genau wie Betty sagte, alles andere als überwältigt zu sein schien.
»Warum denn ›arme‹ Isobel?«, fragte Jamie, der dieses Verhalten interessiert beobachtete.
»Nun, sie ist in ihn verliebt, Schlauberger. Das könnt doch selbst Ihr gewiss sehen?«
»Aye, und?«
Betty seufzte und verdrehte dramatisch die Augen, aber sie langweilte sich und gab es auf, die Desinteressierte zu spielen.
»Und«, sagte sie, »Lady Isobel möchte ihn heiraten. Nun ja«, fügte sie der Fairness halber hinzu, »sie möchte gern heiraten, und er ist der einzige Mann in der Gegend, der einigermaßen präsentabel ist. Aber eben nur einigermaßen, und ich glaube nicht, dass das ausreicht«, resümierte sie und blinzelte gen Mr Wilberforce, der jetzt fast aus dem Sattel fiel, so sehr verbog er sich, um Lady Dunsany ein Kompliment zu machen, während sie sich taub stellte.
Auf seiner anderen Seite funkelte Isobel ihre Mutter mit einer Miene an, in der sich Frustration und Nervosität miteinander vermischten. Lady Dunsany ritt seelenruhig dahin und ließ sich in ihrem Damensattel schaukeln, während sie das Gesicht des aufdringlichen Verehrers hin und wieder mit einem Blick bedachte, der unmissverständlich sagte: » Oh, seid Ihr immer noch da? «
»Warum wollen sie ihn denn nicht für ihre Tochter?«, fragte Jamie, der jetzt doch neugierig wurde. »Möchten sie nicht, dass sie heiratet?«
Betty schnaubte verächtlich. »Nach allem, was Geneva zugestoßen ist?«, fragte sie und warf einen vielsagenden Blick auf William. Dann sah sie Jamie mit einem kleinen Grinsen an. Obwohl sein Inneres einen Satz tat, hielt er sein Gesicht von jedem Ausdruck frei und gab keine Antwort.
Eine Weile ritten sie schweigend weiter, doch Bettys allgegenwärtige Unruhe ließ es nicht zu, dass sie länger schwieg.
»Ich nehme an, dass sie eine gute Partie wohl heiraten dürfte«, sagte sie grollend. »Aber sie haben nicht vor zuzulassen, dass sie sich einem Anwalt an den Hals wirft. Noch dazu einem, über den es Gerede gibt.«
»Aye? Was erzählt man sich denn über ihn?« Jamie interessierte sich nicht im Mindesten für Wilberforce – und auch kaum mehr für Lady Isobel –, doch die Unterhaltung lenkte ihn von Williams Korsett ab.
Betty spitzte die Lippen und setzte eine gerissene Miene auf.
»Es heißt, dass er sich für seine unverheirateten Klientinnen besonders viel Zeit nimmt – viel mehr als notwendig. Und er lebt über seine Verhältnisse«, fügte sie tadelnd hinzu. »Weit über seine Verhältnisse.«
Das war wohl der ernstere Vorwurf, dachte Jamie. Er ging davon aus, dass Isobel eine ordentliche Mitgift hatte. Sie war das letzte überlebende Kind der Dunsanys, obwohl William natürlich das Anwesen erben würde.
Als sie sich jetzt der alten Schäferhütte näherten, spürte er ein Ziehen in seinem Bauch, doch es war niemand zu sehen, und er stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus und sprach ein rasches Gebet für Quinns Seelenfrieden. Sie hatten einen Korb dabei mit gebratenem Huhn, einem Brot, etwas gutem Käse und einer Flasche Wein. Willie, der jetzt aus seiner Benommenheit erwachte, war übel gelaunt und weigerte sich jammernd, etwas zu essen. Mr Wilberforce versuchte, sich weiter einzuschmeicheln, indem er dem Jungen ausgelassen das Haar raufte, und wurde zum Lohn für seine
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