Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
sie ihn ignorierte oder einsilbig behandelte. Doch nein. Woran mochte das liegen?
» Sie möchte gern heiraten «, hatte Betty über Isobel gesagt. Vielleicht galt das ja auch für Mrs Betty. Die war im richtigen Alter dafür, vielleicht sogar schon etwas darüber hinaus. Er hatte gedacht – und errötete über seine eigene Anmaßung –, dass sie nur mit ihm ins Bett gehen wollte, und er wusste nicht einmal, ob aus Lust oder aus Neugier. Er war sich beinahe sicher, dass sie über ihn und Geneva Bescheid wusste. Doch was, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, lieber ihn zu heiraten als George Roberts? Gott, hatte Grey womöglich etwas zu ihr gesagt? Dieser Gedanke verstörte ihn sehr.
Eigentlich konnte ihn eine Frau, die bei Verstand war, niemals in diesem Licht betrachten. Er besaß weder Geld noch Eigentum noch seine Freiheit; er bezweifelte sogar, dass er überhaupt heiraten konnte , ohne dass ihm Lord John Grey die Erlaubnis erteilte. Diese Umstände mussten Betty doch bekannt sein; das ganze Anwesen wusste genau, was – wenn auch nicht genau, wer – er war.
Wer. Aye, wer. Bei genauerer Betrachtung seiner Gefühle – einer Mischung aus Überraschung, Alarm und schwachem Ekel – stellte er ein wenig bestürzt fest, dass ein Teil davon auch Stolz war, und zwar eine besonders sündige Art von Stolz. Betty war ein einfaches Mädchen; ihr Vater war einer von Dunsanys mittellosen Pächtern –, und er musste ebenso erschrocken wie peinlich berührt einräumen, dass er sich trotz seiner gegenwärtigen Lage immer noch als den Herrn von Lallybroch betrachtete.
»Was für ein Unsinn«, murmelte er und schlug nach einem Schwarm sirrender kleiner Fliegen, die sich um seinen Kopf gesammelt hatten. Er hatte Claire geheiratet, ohne auch nur den geringsten Gedanken an seine oder ihre Stellung zu verschwenden. Sie hätte sogar genauso gut ein – oder nein. Er lächelte unwillkürlich vor sich hin. Er war ein Verbannter und ein Gesetzloser gewesen, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt war. Und er hätte sie nie mit einem Bauernmädchen verwechselt.
»Ich hätte dich selbst dann genommen, wenn es so gewesen wäre, mein Herz«, sagte er leise. »Ich hätte dich selbst dann genommen, wenn ich von Anfang an die Wahrheit gewusst hätte.«
Er fühlte sich ein wenig besser, zumindest, was sein Selbstbild betraf. Dies war schließlich die Wurzel dessen, was er Betty gegenüber empfand. Nur, dass er sich einfach nicht vorstellen konnte, jemals wieder zu heiraten. Dass er …
Er erstarrte, als sein Blick auf die Mauerecke fiel, auf der Quinn gesessen hatte, während ihm die Leidenschaft aus den seltsamen hellen Augen leuchtete. Betty war Quinns Schwägerin; natürlich wusste sie, wer Jamie war. Gewesen war.
Der Wind berührte ihn plötzlich mit einer anderen Kühle, und als er herumfuhr, sah er den Nebel aus dem Hochmoor aufsteigen. Hastig stand er auf. Hier oben kamen die Nebelbänke schnell, plötzlich und gefährlich. Er konnte sehen, wie sie sich bewegte, eine große schmutzige Wand wie ein wildes Tier, das den Kopf über die Felsen steckte, während sich der Nebel gleichzeitig über den Boden ringelte wie die Tentakel eines Tintenfischs.
Schon rannte er den Hügel hinunter zu den Pferden, die alle aufgehört hatten zu fressen und mit erhobenen Köpfen dastanden und beklommen mit den Schweifen zuckten, während sie den Nebel kommen sahen. Es würde nur Sekunden dauern, ihnen die Beine loszubinden – besser, wenn er zu den Dunsanys lief und ihnen sagte, dass sie sofort alles einpacken sollten; er konnte die Pferde ja währenddessen holen.
Mit diesen Gedanken sah er sich nach den Ausflüglern um und erblickte sie auch. Zählte sie noch im Laufen durch. Drei Köpfe und einer … einer fehlte. Nur drei! Er stürzte den Hügel hinunter, sprang über die Felsen und stolperte über die Grasbüschel.
»Wo ist William?«, keuchte er, als ihm die drei Erwachsenen erschrocken die Gesichter zuwandten. »Der Junge. Wo ist er?«
DER JUNGE WAR NOCH KEINE DREI ; er konnte nicht weit gekommen sein. Er konnte es nicht. Das sagte sich Jamie zumindest, während er versuchte, die Panik zu kontrollieren, die ihm genauso schnell in den Kopf kroch, wie sich der Nebel voranbewegte.
»Bleibt hier, und bleibt zusammen!«, sagte er zu Lady Isobel und Lady Dunsany, die ihn beide überrascht anblinzelten. »Ruft nach dem Jungen, ruft ihn immer weiter – aber rührt Euch nicht von der Stelle. Hier, haltet die Pferde.« Er drückte Wilberforce
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