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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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die gesammelten Zügel in die Hand, und der Anwalt öffnete zwar den Mund, als wollte er Einspruch erheben, doch Jamie wartete nicht ab.
    »William!«, brüllte er und tauchte in den Nebel ein.
    »Willie! Willie!« Die höheren Stimmen der Frauen folgten gehorsam seinem Beispiel, so regelmäßig wie die Glocke an einer Schiffsboje und zu demselben Zweck. »Willie! Wo bist duuuu?«
    Die Luft hatte sich mit einem Schlag verändert; sie war nicht mehr klar, sondern wie Watte, und alles hatte ein Echo; jedes Geräusch schien von überall und nirgends zu kommen.
    »William!« Der Name prallte von den Felsen und dem kurzen ledrigen Gras ab. »William!«
    Immerhin konnte er noch sagen, dass er sich bergauf bewegte. Vielleicht war William ja losgezogen, um die Schäferhütte zu erforschen. Wilberforce hatte sich dem Chor der Frauenstimmen angeschlossen, rief aber nicht gleichzeitig mit ihnen, sondern in den Pausen.
    Jamie hatte das Gefühl, dass er nicht atmen konnte, dass ihn der Nebel erstickte – doch das war Unsinn. Reine Einbildung.
    » William! «
    Seine Schienbeine prallten gegen die eingestürzte Wand der Schäferhütte. Er konnte nicht mehr als einen schwachen Umriss der Steine sehen, doch er tastete sich ins Innere vor und kroch rasch an den Wänden entlang, während er nach dem Jungen rief. Nichts.
    Der Nebel konnte sich nach einer Stunde wieder verziehen, aber auch erst nach einem Tag.
    »Willie-iam-Wil-Willy-iam- WILLIE !«
    Jamie knirschte mit den Zähnen. Wenn sie nicht hin und wieder Ruhe gaben, konnte er nicht hören, wenn Willie antwortete. Falls er denn in der Lage war zu antworten. Der Untergrund war trügerisch, das Gras rutschig, der Boden felsig. Und wenn er bis zum Fuß des Hügels gekommen war, lauerte das Moor …
    Er stieg höher in das Gewirr der Felsen hinauf. Stolperte von einem zum nächsten, tastete sich am Fuß der Felsen entlang, stieß sich die Zehen. Der Nebel kroch kalt in seine Brust und schmerzte. Sein Fuß landete auf etwas Weichem – Willies Jacke! –, und sein Herz hüpfte.
    » WILLIAM !«
    War da ein Geräusch, ein Wimmern? Er erstarrte, versuchte zu lauschen, versuchte, im Flüstern des Nebels und in der Kakophonie der fernen Stimmen, die wie Kirchenglocken klangen, etwas zu hören.
    Und dann sah er den Jungen zusammengerollt in einer Felsenmulde liegen, weil sein gelbes Hemd in einem Nebelstrudel plötzlich aufleuchtete. Bevor der Junge wieder verschwinden konnte, war er mit einem Satz bei ihm und packte ihn, klammerte ihn an seine Brust und sagte: »Ist ja gut, a chuisle , ist ja gut, keine Sorge, wir gehen jetzt zu deiner Oma, aye?«
    »Mac! Mac, Mac! Oh, Mac !«
    Willie klammerte sich an ihn wie ein Blutegel, der versuchte, sich in seine Brust zu graben, und er schlang die Arme fest um den Jungen, zu überwältigt zum Sprechen.
    Bis zu diesem Moment hätte er eigentlich nicht sagen können, dass er William liebte. Dass er das Grauen der Verantwortung für ihn spürte, ja. Dass er den Gedanken an ihn wie ein Juwel in seiner Tasche trug, gewiss, und dass er manchmal danach griff, um es staunend zu berühren. Doch jetzt spürte er die Vollendung der Knochen in Williams Wirbelsäule durch seine Kleider hindurch, so glatt wie Murmeln unter seinen Fingern, roch seinen Geruch, den Weihrauch der Unschuld und den schwachen Hauch von Scheiße und sauberem Leinen. Und dachte, das Herz würde ihm brechen vor Liebe.

40
    Der Schachzug
    Hin und wieder bekam Grey Jamie zu Gesicht, meistens aus der Ferne, bei der Arbeit. Doch es ergab sich keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und ihm schien auch kein Vorwand dafür einfallen zu wollen. Ganz zu schweigen davon, was er sagen würde, wenn er einen fand. Er kam sich erstaunlich schüchtern vor – wie ein Junge, der nicht imstande war, ein attraktives Mädchen anzusprechen. Demnächst würde er noch rot werden, dachte er angewidert.
    Das änderte jedoch keineswegs die Tatsache, dass er Jamie nichts mehr zu sagen hatte – oder Jamie ihm. Nun ja, nicht nichts , verbesserte er sich. Sie hatten einander immer viel zu sagen. Doch es gab jetzt einfach keine Entschuldigung mehr für ein solches Gespräch.
    Drei Tage vor dem Termin seiner Abreise stand er morgens mit der festen Überzeugung auf, dass er irgendwie mit Fraser sprechen musste. Nicht in Form eines steifen Gesprächs zwischen einem Sträfling und einem Offizier der Krone – einfach nur ein paar Worte von Mann zu Mann. Wenn ihm das vergönnt war, konnte er leichten Herzens nach London

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