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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Unterarm, erstaunlich kräftig für ihre Größe.
    »Nein, Vater«, hörte er sich selbst sagen, ruhig und wie abwesend. »Ich habe sie verloren. Während des Aufstandes.«
    Der Abt holte leiderfüllt Luft, schnalzte dreimal mit der Zunge und zog Jamie zu einem Sessel hinüber.
    »Möge Gott ihrer Seele Frieden schenken. Kommt, Junge, setzt Euch. Ihr trinkt jetzt einen Schluck Whiskey.«
    Dies war keine Einladung, und Jamie widersprach nicht, als ihm ein reichlich gefülltes Glas in die Hand gedrückt wurde. Er hob das Glas mechanisch, um dem Abt zu danken, sagte aber nichts; zu sehr war er damit beschäftigt, in seinem Kopf zu wiederholen, Herr, lass sie gerettet sein! Sie und das Kind! , als fürchtete er, der Abt könnte sie mit seinen Worten tatsächlich in den Himmel geschickt haben.
    Der Schock ließ jedoch rasch wieder nach, und schon bald begann die Eiskugel in seinem Bauch im sanften Feuer des Whiskeys zu tauen. Er hatte sich mit Wichtigerem zu befassen und musste seinen Schmerz beiseiteschieben.
    Abt Michael sprach über neutrale Dinge: das Wetter (ungewöhnlich gut und ein Segen für die Lämmer), den Zustand des Kapellendachs (so große Löcher, dass es aussah, als sei ein Schwein über das Dach gelaufen, und zwar ein ausgewachsenes Schwein), den Wochentag (ein Glück, dass es Donnerstag war und nicht Freitag, denn es würde Fleisch zum Abendessen geben, und Jamie würde natürlich mit ihnen speisen; Bruder Bertrams spezielle Sauce würde ihm schmecken; sie hatte keinen besonderen Namen und keine besondere Farbe – der Abt hätte sie lila genannt, aber es war allgemein bekannt, dass der Abt farbenblind war und den Sakristan fragen musste, welches Messgewand er an normalen Tagen anziehen sollte, da er Rot und Grün nicht unterscheiden konnte und es den anderen nur glauben konnte, dass es diese Farben gab, doch Bruder Daniel – er war Bruder Daniel doch begegnet, dem Sekretär im Vorzimmer? – versicherte ihm, dass es so war, und ein Mann mit einem solchen Gesicht konnte gewiss nicht lügen, man brauchte sich nur die Größe seiner Nase anzusehen, um das zu wissen), und andere Belanglosigkeiten, auf die Jamie mit einem Kopfnicken, einem Lächeln oder einem Geräusch reagieren konnte. Und während der ganzen Zeit durchforschten die grünen Augen sein Gesicht – gütig, aber durchdringend.
    Der Abt erkannte den Moment, in dem Jamie die Fassung wiederfand, und lehnte sich ein wenig zurück, um ihn durch seine Haltung, nicht durch Worte, einzuladen zu sagen, warum er hier war.
    »Wenn ich Euch bitten könnte, Euch kurz Zeit zu nehmen, Vater …« Er zog das zusammengefaltete Blatt Papier aus seiner Brusttasche und reichte es hinüber. »Ich weiß, dass Ihr den Ruf besitzt, ein Gelehrter und Historiker zu sein, und ich weiß, dass mein Onkel gesagt hat, Ihr habt eine außergewöhnliche Sammlung von Erzählungen über das Alte Volk. Ich würde gern hören, was Ihr von diesen Versen haltet.«
    Abt Michael hatte buschige weiße Augenbrauen, aus denen lange, geringelte Haare hervorlugten, wie es bei alten Männern oft der Fall war. Diese zuckten jetzt neugierig in die Höhe, und er beugte sich aufmerksam über das Blatt, während sein Blick von Zeile zu Zeile huschte wie eine Hummel in einem Blumenbeet.
    Jamies Blick hingegen war durch das Zimmer geschweift, während Abt Michael redete. Es war ein interessanter Ort – jeder Ort, an dem gearbeitet wurde, interessierte ihn –, und jetzt erhob er sich mit einer gemurmelten Entschuldigung und ging zu den Bücherregalen hinüber, um den Abt seiner genauen Betrachtung des Gedichtes zu überlassen.
    Das Zimmer war so groß wie die Bibliothek des Herzogs von Pardloe und enthielt mindestens so viele Bücher, doch die Atmosphäre erinnerte eher an die kleine, vollgestopfte Höhle, in die sich Pardloe zum Nachdenken zurückzog.
    Man konnte an den Büchern erkennen, ob eine Bibliothek nur zum Angeben diente. Bücher, die benutzt wurden, fühlten sich offen und neugierig an, selbst wenn sie in geschlossenem Zustand in Reih und Glied mit ihren Kameraden auf einem Regalbrett standen. Man hatte das Gefühl, dass sich das Buch genauso sehr für den Betrachter interessierte wie dieser sich für das Buch, und dass es bereit war zu helfen, wenn man danach griff.
    Die Bücher des Abtes waren noch extrovertierter. Ein Dutzend Bände – mindestens – lagen aufgeschlagen auf dem großen Tisch am Fenster, teilweise übereinander, und Blätter mit gekritzelten Notizen ragten aus dem

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