Die Fährte der Toten
zusammenpacken und -
'Hallo Giorgio.'
Die Stimme weht ihn an wie ein kalter Hauch aus der Vergangenheit, und Giorgio spürt, wie sich ein Klumpen in seinem Magen bildet. Wie in Zeitlupe dreht er sich herum und sieht die Gestalt an, die wie aus dem Nichts im Türrahmen erschienen ist.
'Hallo Frank. Ich hatte gar nicht mit dir gerechnet. Ich - '
' - war gerade damit beschäftigt, abzuhauen, was?'
Frank nickt in Richtung des halbgepackten Koffers, der auf dem Sofa steht.
'Da bin ich ja grade noch rechtzeitig gekommen. Hätte ich dich doch sonst glatt noch suchen müssen. Wäre etwas lästig gewesen.'
'Eh, ja...nun...da bin ich aber noch...also...was kann ich für dich tun...ich meine - '
'Wer hat dich gerade angerufen?'
'McCarson. Sieht so aus, als wenn er was raus gefunden hätte.'
'Nein. Jemand hat ihn auf ihre Spur gesetzt. Ganz wie ich erwartet hatte.'
'Fein. Ich meine...geht mich ja auch nichts an. Obwohl...was machen wir jetzt?'
'Wir? Nichts. Warum sollten wir?'
Mit ein paar lässigen Schritten geht Frank zu Giorgio hinüber, und Giorgio spürt, wie eine Schweißperle seine Stirn hinunter rinnt. Frank wischt sie mit seinem Daumen fort und an Giorgios Hemd ab. Giorgios Kehle fühlt sich auf einmal wie ausgedörrt an.
'Ich hatte dich eigentlich für schlauer gehalten. Weißt du, wenn du abgehauen wärst, als sich die ersten Leichen zu stapeln begannen, hättest du vielleicht noch ne Chance gehabt. Vielleicht hätten wir dich einfach vergessen. Aber du musstest ja unbedingt den letzten Akt abwarten.'
Frank schüttelt leicht den Kopf.
'Neugierde killte die Katze. Hat dir das eigentlich noch nie jemand gesagt?'
Giorgio nickt, und er hat Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Endstation. Bitte alle aussteigen. Ihre Fahrt endet hier.
'Nun, du hast deine Wahl getroffen. Deshalb – gestatte ich dir eine letzte Frage.'
Frank legt einen Arm um Giorgios Schulter, und Giorgio spürt, wie sich eine gewisse Leichtigkeit in ihm ausbreitet. Gleich ist alles vorbei.
'Wer ist sie eigentlich' fragt er.
'Eine Göttin unter den unruhigen Toten.'
Frank schmunzelt.
'Und meine Tochter.'
Giorgio ist für einen Moment perplex. Er will noch einmal nachfragen, sich vergewissern, dass er sich nicht verhört hat, aber ein stechender Schmerz in seinem Bauch schneidet ihm das Wort ab. Krächzend versucht er, seine Hände um Franks Hals zu legen und ihn mit in den Tod zu zerren, aber sie gleiten kraftlos an ihm herab, als er sterbend zu Boden sackt.
Er bekommt noch mit, wie Frank ein wenig Blut von der Klinge leckt und ihm 'Gute Reise' wünscht, dann schlägt die Dunkelheit wie eine Meereswoge über ihm zusammen und zerrt ihn in die Tiefe.
Menschen / 11
Tanyas Absätze klicken auf dem Betonboden, während sie mit hastigen Schritten zu ihrem Wagen zurückgeht. In ihrer Linken hält sie die Tasche mit den Einkäufen, während sie fluchend in ihrer Handtasche wühlt, bis sie endlich die Schlüssel findet. Ein schneller Blick auf die Uhr – sie ist spät dran.
Sie schmeißt die Tüte in den Kofferraum und knallt den Deckel so heftig zu, dass sie ein wenig zusammenschrickt. Du bist nervös, denkt sie. Und du hast auch allen Grund dazu, wenn du mal einen Blick auf die Uhr wirfst. Du solltest schon längst wieder zurück sein. Das kann noch was geben...
Tanya sieht sich noch einmal mit einem mulmigen Gefühl um. Ein stinknormales Parkhaus. Auf einmal bedauert sie es, nicht einen der Frauenparkplätze genommen zu haben. Gerade will sie die Fahrertür öffnen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung im Außenspiegel sieht. Ihre Hand gleitet fast automatisch in ihre Handtasche, um die Waffe herauszuziehen, die sie neuerdings immer mit sich führt, aber sie ist zu langsam. Jemand presst sie rüde gegen die Wagentür, und für einen Moment bleibt ihr schlicht die Luft weg. Bevor sie sich versieht, wird ihr ein Knebel zwischen die Zähne gedrückt.
'Wir haben Feinde'.
Lees Worte hallen noch durch ihre Gedanken, dann verspürt sie einen scharfen Schmerz in ihrer Kehle und verliert das Bewusstsein.
***
Lee trommelt mit den Fingern gegen den Rahmen der Terrassentür. Tanya ist überfällig. Ein schlechtes Gefühl macht sich in ihrem Innern aus. Es war ein Fehler, sie alleine losfahren zu lassen. Auch wenn schon genug Zeit vergangen sein sollte seit dem Besuch von McCarson – sie hätte es nicht
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