Die Fährte der Toten
sie seit langer Zeit nicht mehr verspürt hat. Und da ist noch etwas. Nämlich Jagdfieber. Nicht nur, dass sie das Kind finden will, nein, da ist noch etwas anderes. Jemand hat es gewagt, sich an ihrer Linie zu vergehen. Sie zu zerstören. Wer auch immer ihre Feinde sind, sie wird sie finden.
Und dann wird sie ihr Blut trinken. Bis zum letzten Tropfen.
Engel / 2
Lee stellt den Motor ab und blickt noch einmal in den Rückspiegel. Niemand zu sehen. Sie trommelt mit den Fingerkuppen auf dem Griff ihrer Pistole herum, bevor sie das Handschuhfach öffnet und sie hineinwirft. Schließlich ist sie geschäftlich hier. Ihre Hand streicht über den schwarzen Lederkoffer auf dem Beifahrersitz.
'Was soll ich damit?', hatte sie Frank gefragt, nachdem sie einen Blick in den Koffer geworfen und ihn angeekelt wieder zugeklappt hatte.
'Kannst du eintauschen bei Sverkas. Er weiß Bescheid und zahlt dir einen guten Kurs.'
'Und womit hab ich mir die Ehre verdient, so einen Haufen Stoff frei Haus geliefert zu bekommen?'
'Nimms als Anerkennung für geleistet Arbeit. Ich will mich doch nicht an deinem Blutgeld bereichern. Die Jungs haben sich den Abgang von deinem Freund eine Menge kosten lassen, und Du hast schließlich die Drecksarbeit erledigt.'
Lee verzieht den Mund. Sie hatte Vollzug gemeldet, und Frank hatte es mit einem Lächeln quittiert und nicht weiter nachgebohrt. Wenn er wüsste, dass sie ihn genauso wie die Typen von der Drogenmafia aufs Kreuz gelegt hat, wäre er schon längst hinter ihr her. Nur weiß er es nicht.
Aber das kann sich schnell ändern. Weshalb sie jetzt keine Zeit mehr verlieren darf. Sie nimmt den Koffer, steigt aus dem Wagen, und macht sich mit schnellen Schritten auf den Weg.
***
Sverkas sitzt in einem riesigen Sessel hinter einem massiven Schreibtisch aus dunklem Holz. Hinter ihm türmt sich eine mit irgendwelchen juristischen Fachbüchern bestückte Regalwand auf. Nachdem sich Lee kurz umgeschaut hat, nimmt sie unaufgefordert Platz.
Sverkas nimmt Lees Inspektion mit einem Lächeln zur Kenntnis und legt die Fingerspitzen aneinander, während er sich entspannt zurücklehnt.
'Miss Sentenza, nehme ich an.'
'Kann sein. Spielt es eine Rolle?'
Lee betrachtet ihr Gegenüber. Ein Mann Mitte fünfzig mit grau melierten Haar mit braungebranntem Gesicht. Glänzend weiße Zähne, perfekt dazu geeignet sie einzuschlagen. Makellos gekleidet. Er könnte auch als harmloser Geschäftsmann durchgehen.
'Ich muss gestehen, dass Ihre Form der Kontaktaufnahme unorthodox ist.'
Sverkas runzelt die Augenbrauen.
'Aber gleichzeitig gebe ich zu, dass Ihre Referenzen bemerkenswert sind.'
Ein einziger Anruf, und er wusste Bescheid. Sie war ihm angekündigt worden. Man hatte für sie gebürgt, und das hatte Sverkas genügt. Daher war er auch auf ihre Bedingungen eingegangen. Andernfalls wäre das Geschäft geplatzt.
Sverkas spürt auf einmal, wie ihm der Schweiß den Nacken herunterläuft. Dabei ist es doch gar nicht so warm in seinem Büro. Wahrscheinlich ein Defekt der Klimaanlage. Oder es liegt an seiner Geschäftspartnerin. Diese Frau erzeugt eine sonderbare Unruhe in ihm. Auf der anderen Seite überrascht ihn das nicht. Wer mit seinem Mandanten Geschäfte macht, der gehört einer ganz besonderen Spezies an.
'Ich nehme an, die Unterlagen sind in dem Koffer?'
Die Frau spielt mit ihrer leicht antiquiert aussehenden Sonnenbrille, sieht ihn mit einem leeren Blick an und schiebt den Koffer wortlos zu ihm herüber.
Sverkas zögert einen kurzen Moment, dann öffnet er ihn und wirft einen Blick hinein. Sauber gestapelte Päckchen mit erstklassigem Stoff. Auf der Straße eine satte Million wert. Alles wie besprochen. Wieder beschleicht ihn das Gefühl, dass er einen fürchterlichen Fehler macht, doch er wischt den Gedanken beiseite. Das hätte er sich vorher überlegen sollen. Er holt ohne seinen Blick von Lees grünen Augen abzuwenden eine Tasche hinter dem Schreibtisch hervor und stellt sie neben den Koffer.
'Wie besprochen. Möchten Sie es zählen?'
'Das wird nicht nötig sein.'
Sverkas zuckt mit den Schultern und lächelt Lee an.
'Dann ist ja alles in bester Ordnung. Wenn ich Ihnen noch anderweitig behilflich sein kann...'
'Das kannst du in der Tat, mein Freund...'
Die Frau steht plötzlich neben ihm, und er spürt, wie sein Herz einen Satz macht. Lee stößt Sverkas in seinen Sessel zurück und
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