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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
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Schrank reagiert blitzschnell, indem er sie wie eine Puppe zur Seite wirft. Tanya verliert das Gleichgewicht und landet erneut ziemlich unsanft auf ihrem Hintern, immer noch völlig geschockt die Frau anstarrend, die den Mann wie einen nassen Sack zu Boden gleiten lässt. Der Mann streckt sterbend eine Hand nach Tanya aus, als wolle er sie um Hilfe bitten, während er mit seiner anderen einen sinnlosen Versuch unternimmt, die klaffende Wunde zu schließen, die einmal sein penibel rasierter Hals war und aus der mit rasend schneller Geschwindigkeit das Blut in pulsierenden Stößen hervortritt.
     
    Im Gegensatz zu Tanya reagiert Luz geistesgegenwärtig. Er greift unter sein Jackett – und starrt dann ungläubig auf das Messer, das wie von Geisterhand in seine Brust gezaubert zu worden sein scheint. Mit einem Röcheln bricht er auf die Knie, und Tanya rutscht hektisch zur Seite, damit er sie nicht unter sich begräbt.
     
    Die Frau macht einen eleganten Schritt über Tanya hinweg, beugt sich zu Luz Leiche hinab und zieht das Messer aus heraus. Tanya spürt, wie sich erneut Übelkeit in ihrem Magen ausbreitet. Ich muss hier weg, denkt sie. Wenn sie nicht sofort abhaut, wird sie als nächstes dran glauben müssen. Leider fühlen sich ihre Beine an, als wären sie mit Blei ausgegossen. Das Klicken eines Feuerzeugs nimmt Tanyas Aufmerksamkeit in Anspruch, und mit einer Mischung aus Horror und Faszination sieht sie, wie die Frau sich eine Zigarette anzündet.
     
    Auf einmal wird Tanya ganz ruhig. Eigentlich hat sich für sie nichts geändert. Die Scheißkerle hätten sie auch nicht laufen lassen. Und so hat es wenigstens die Richtigen zuerst erwischt, nicht wahr? Dieser Luz hat sie herumgeschubst, dieses andere Arschloch wollte sie zu ein paar Schweinereien zwingen, sie wahlweise vergewaltigen oder ihr jeden gottverdammten Knochen im Leib brechen. Und jetzt hat die Frau genau das gemacht hat, was du selbst auch gerne getan hättest, denkt sie.
     
    Langsam rappelt sich Tanya sich auf und betrachtet die Frau, die das riesige Messer an dem Jackett ihres nun ziemlich toten Klienten säubert und dann ein Bein auf dem Bett abstützt, um es in ihrem Stiefelschaft verschwinden zu lassen. Eine echte Schönheit, denkt Tanya. Wenn da nicht eine kleine Narbe unter ihrem Auge wäre, die kaum zu übersehen ist. Die Stimme der Frau reißt sie aus ihren Gedanken.
     
    ‘Du bist ja noch da. Ich hätte drauf gewettet, dass du jetzt schon auf und davon gewesen wärst, um die Bullen zu rufen. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, dich einfangen zu müssen.’
     
    Tanya schluckt und versucht ihre Gedanken zu sammeln. Eigentlich will sie den ganzen üblichen Stuss absondern – dass sie nichts gesehen hat, dass sie nichts sagen wird…
     
    Stattdessen hört sie sich selber ‚Wie heißt du?’ fragen.
     
    ‚Du kannst mich Lee nennen.’
     
    Die Frau schweigt einen kurzen Moment und beißt ein Päckchen auf, das sie aus ihrer Tasche geholt hat und verstreut den weißen pulverartigen Inhalt über die blutüberströmten Leichen, die teilnahmslos mit gebrochenen Augen ins Nichts starren.
     
    Dann wendet sie sich wieder Tanya zu und schenkt ihr dieses gleichermaßen furchterregende wie anziehende Lächeln, das Tanya noch so oft sehen wird. Dieses Lächeln, das nie die Augen erreicht, Augen von der Farbe der endlosen See, die grauen Sprenkel darin unendliche viele kleine Inseln. Ein Meer voller Untiefen, in dem sich die Ungeheuer tummeln. Eine atavistische Furcht breitet sich in ihrem Innern aus, und sie will zurückweichen, doch sie ist immer noch wie gelähmt.
     
    Lee streicht sich eine schwarze Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr und macht einen Schritt auf Tanya zu. Sie legt den Kopf ein wenig schief und lässt ihren Blick ungeniert über Tanyas Figur gleiten. Lange, etwas wilde blonde Haare. Sportlich, mit Proportionen, die einen zum Träumen verleiten können. Etwas billig angezogen, wenn auch nicht nuttig. Doch das Wichtigste...
     
    'Deine Augen. Sie sind wirklich wunderschön. Wie der Himmel.'
     
    Lee streckt langsam die Hand nach Tanya aus, die wie in Trance verharrt und wischt ihr mit einer zärtlichen Geste ein wenig Blut von der Oberlippe. Tanya sieht ebenso verstört wie fasziniert zu, wie Lee mit einem fast gierig zu nennenden Blick das feucht schimmernde Blut betrachtet, bevor sie es sich mit einem nahezu genussvollen Ausdruck von ihrem Finger leckt.
     
    'Exquisit.'
     
    Lee zieht eine Augenbraue hoch.
     
    ‘Du bist

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