Die Fährte der Toten
anscheinend was Besonderes. Ich wette, du weißt gar nicht wie besonders.'
Tanya schüttelt nur verständnislos den Kopf, und Lee fährt sich mit einem Finger über die Lippen.
'Weißt du, du hast dieses gewisse...Etwas. Und du gefällst mir. Sehr sogar.'
Ihr Blick ist ein wenig anzüglich, aber das ist es nicht, was Tanya irritiert. Es sind Lees Augen. Eine innere Stimme fleht sie an, nicht in Lees Augen zu schauen, sich nicht in den Abyss zu stürzen, aber Tanya nimmt sie gar nicht mehr wahr. Sie ist wie von einem Zauber gebannt, dem sie sich willentlich unterworfen hat.
Als Lee sich anschickt, sie zu küssen, schließt Tanya nur erwartungsvoll die Augen, den letzten Widerstand achtlos beiseite fegend. Der Kuss ist wie kein anderer zuvor und löst ein angenehmes, fast ekstatisches Gefühl aus. Als sich Lees Lippen schließlich von den ihren lösen, gehorcht Tanya der eigene Körper bereits nicht mehr.
‚Deine Wahl meine Kleine. Ich hoffe für dich, dass du sie nicht bereust.’
Lees Stimme scheint aus weiter Ferne an ihr Ohr zu schweben, und Tanya möchte noch etwas sagen, doch ihr schwindet das Bewusstsein, und sie begibt sich an den Ort, an dem die geheimen Träume wahr werden.
Wilde, seltsame, unsinnige, angenehme Träume…und ja, auch Alpträume.
***
Zuhause angekommen lässt Lee Tanya auf das Sofa gleiten und betrachtet sie. Langsam lichtet sich der Nebel in ihren Gedanken, der so gerne durch den Rausch des Tötens hervorgerufen wird.
Zwei sind gestorben. Eine hat es überlebt. Bis jetzt.
Lee lacht freudlos in sich hinein. Wieso eigentlich? Was ist los mit ihr? Eine Zeugin. Frank würde jetzt wahrscheinlich sprachlos sein – was wahrlich selten vorgekommen ist in all der Zeit, in der sie seine Gesellschaft ertragen durfte. Er hätte die Kleine sofort erledigt, gleich vor Ort. Das wäre ja auch die richtige Entscheidung gewesen. Also, wieso hast Du sie mitgenommen, denkt sie.
Weil Du eine Närrin bist, flüstert ihre innere Stimme. Doch noch ist es nicht zu spät. Töte sie! Sie ist eine Gefahr! Sie wird uns nur Probleme bereiten! Also töte sie! Töte sie!
Ein kurzes Fauchen entringt sich Lees Kehle, und Tanya zuckt in ihrem Dämmer zwischen Schlaf und Bewusstlosigkeit zusammen. Ein schneller sauberer Schnitt...
Nein! Sie wird sich widersetzen. Einen anderen Weg wählen. Ihren Weg. Ich mag kein Mensch mehr sein, denkt sie. Aber ich bin auch kein Monstrum. Ich bin die Herrin meiner selbst. Und nicht dieses...Ding, das sich in mich hineingefressen hat. Ich allein entscheide. Und die Kleine wird leben. Weil ich es will. Mit einem Ruck dreht sich Lee um und geht davon, während sich Tanya immer noch in ihrem unruhigen Schlummer voller seltsamer Träume wiegt.
Menschen / 3
Tanya schreckt hoch und ist für einen Moment völlig orientierungslos, bevor die Erinnerung zurückkommt und mit ihr die Furcht. Sie war in dieses Hotel gegangen, wo sie auf diesen Irren traf, der die komische Nummer mit ihr durchziehen wollte...aber dies hier ist kein Hotelzimmer. Sie liegt auch nicht in einem Bett, sondern komplett angezogen auf einer Ledercouch. Langsam formen sich Bilder in ihrem Kopf...der Schläger...sein Klient...die Frau, die sich Lee nannte und die beide umgebracht hat...
Sie muss weg! Sofort!
Sie versucht sich aufzurichten, doch ihr Körper gehorcht ihr nur widerwillig. Sie fühlt sich schlapp und verkatert, dabei hat sie gestern Abend gar nicht so viel getrunken. Nachdem der Schwindel in ihrem Kopf nachgelassen hat, sieht sie sich um.
Fahles Mondlicht illuminiert ein spartanisch eingerichtetes Wohnzimmer. An der weißen Wand gegenüber hängt ein riesiger Fernseher. Vor der Couch ein Tisch aus gebürstetem Stahl. Ansonsten – nichts. Keine Bilder oder Schränke an den Wänden. Nur eine riesige antik aussehende schwarze Standuhr, deren monotones Ticken die Stille durchbricht.
Was für ein ungemütlicher Raum, denkt Tanya. Wer auch immer der Raumausstatter war, man sollte ihn rückwirkend feuern. Sie dreht den Kopf blickt durch die riesige Fensterfront der Terrassentüren hinaus auf den erleuchteten Pool. Wo auch immer sie hier ist – arm sind die Bewohner dieser Hütte nicht. Sie unternimmt einen weiteren Versuch aufzustehen, geht mit staksigen Schritten zur Tür und wirft einen Blick nach draußen. Alles stockfinster. Keine Lichter zu sehen außer denen, die den Pool erhellen. Irgendwo geht der Rasen wohl in
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