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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Großbuchstaben quer auf die Brust schreiben können.
    Harry sah sich um. Abgesehen von ihm selbst, Beate und dem Araber hinter dem Tresen waren nur drei Personen im Lokal. Zwei Rucksacktouristen und ein Traveller der etwas müderen Sorte, der einen hartnäckigen Kater zu pflegen schien. Der Nacken brachte Harry noch um. Er sah auf die Uhr. Vor zwanzig Stunden waren sie in Oslo aufgebrochen. Oleg hatte angerufen, der Tetris-Rekord war gebrochen, und Harry hatte es geschafft, im Computerspielladen in Heathrow vor ihrem Weiterflug nach Recife noch einen Namco G-Con 45 zu kaufen. Von Recife aus waren sie mit einer Propellermaschine nach Porto Seguro geflogen. Vor dem Flugplatz hatte er sich mit einem Taxifahrer auf einen vermutlich astronomischen Preis geeinigt, der sie zur Fähre gefahren hatte, die sie auf die Seite von D'Ajuda gebracht hatte. Von dort hatten sie das letzte, mit Schlaglöchern übersäte Stück mit dem Bus zurückgelegt.
    Vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit er im Besuchszimmer gesessen und Raskol erklärt hatte, dass er vierzigtausend Kronen für die Ägypter brauchte. Und dass Raskol ihm gesagt hatte, dass Mohammeds ahwa nicht in Porto Seguro lag, sondern in dem kleinen Städtchen gleich nebenan.
    »D'Ajuda«, hatte Raskol mit breitem Grinsen gesagt. »Ich kenne da ein paar Jungs.«
    Der Araber sah Beate an, die den Kopf schüttelte, ehe er einen Kaffee vor Harry stellte. Er war bitter und stark.
    »Mohammed«, sagte Harry und sah, wie der Mann hinter dem Tresen erstarrte. » You are Mohammed, right ?«
    Der Araber schluckte. » Who's asking ?«
    » A friend .« Harry schob die rechte Hand unter seine Jacke und bemerkte die Panik in dem dunklen Gesicht vor sich. »Levs kleiner Bruder möchte gerne mit ihm sprechen.« Harry zog eine der Fotografien hervor, die Beate von Trond bekommen hatte, und legte sie auf den Tisch.
    Mohammed schloss einen Moment lang die Augen, während seine Lippen ein stummes Gebet zu sprechen schienen.
    Das Bild zeigte zwei Jungs. Der größere der beiden trug eine rote Daunenjacke. Er lachte und hatte den Arm kameradschaftlich um die Schultern des anderen gelegt, der verlegen in die Kamera blickte.
    »Ich weiß nicht, ob Lev schon einmal mit Ihnen über seinen Bruder gesprochen hat?«, fragte Harry. »Er heißt Trond.«
    Mohammed nahm das Bild in die Hand und betrachtete es genau.
    »Hm«, sagte er und kratzte sich am Bart. »Ich habe keinen davon jemals gesehen. Und ich weiß auch von niemandem hier in D'Ajuda, der Lev heißt. Und ich kenne die meisten.«
    Er reichte Harry die Fotografie, der sie in die Innentasche seiner Jacke schob und seinen Kaffee austrank. »Wir müssen irgendwo übernachten, Mohammed. Dann kommen wir wieder. Bis dahin können Sie ja ein bisschen nachdenken.«
    Mohammed schüttelte den Kopf, zog den Zwanzigdollarschein weg, den Harry unter die Tasse geschoben hatte, und gab ihn ihm zurück. »Ich nehme keine großen Scheine«, sagte er.
    Harry zuckte mit den Schultern. »Wir kommen trotzdem zurück, Mohammed.«
     
    In dem kleinen Hotel mit Namen Vittoria bekamen sie zwei große Einzelzimmer, da ja keine Saison war. Auf Harrys Zimmerschlüssel stand die Nummer 69, obgleich das Hotel nur zwei Etagen und etwa zwanzig Zimmer hatte. Er nahm an, die Hochzeitssuite bekommen zu haben, als er die Schublade des Nachtschränkchens neben dem herzförmigen roten Bett herauszog und zwei Kondome mit Grüßen der Hotelleitung fand. Die gesamte Badezimmertür war mit einem Spiegel verkleidet, in dem man sich vom Bett aus sehen konnte. In einem unverhältnismäßig großen, tiefen Schrank – neben dem Bett das einzige Möbelstück im Raum – hingen zwei etwas abgenutzte, knapp knielange Morgenmäntel mit orientalischen Ornamenten auf dem Rücken.
    Die Frau am Empfang schüttelte bloß den Kopf, als sie ihr die Bilder von Lev Grette zeigten. Das Gleiche geschah im Restaurant nebenan und im Internet-Cafe etwas weiter entfernt auf der seltsam leeren Hauptstraße. Sie führte in traditioneller Weise von der Kirche zum Friedhof, hatte aber einen neuen Namen bekommen. Broadway. In dem kleinen Lebensmittelgeschäft, in dem sie Wasser und Weihnachtsschmuck verkauften und über dessen Tür SUPERMARKET stand, fanden sie schließlich eine Frau hinter der Kasse. Sie antwortete auf alles, was sie fragten, mit »yes« und sah sie mit einem derart leeren Blick an, dass sie schließlich aufgaben und gingen. Auf dem Weg zurück sahen sie bloß einen Menschen, einen jungen

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