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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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damit zu sehr einschmeichelte. Bis jetzt gab es schließlich noch nicht viel, wofür er sich bedanken konnte. Aber auf jeden Fall musste er Trine gegenüber erwähnen, dass er seine Fühler ausgestreckt hatte. Ja, genau so musste er das sagen: »die Fühler ausgestreckt«. Nur das, und dann geheimnisvoll tun, bis er eventuell etwas hörte.
    »Was für ein Kerl ist das, den wir verhaften sollen?«, fragte er.
    »Ich war gerade im Wagen, als ich über Funk etwas von einem Heroinfund in der Thor-Olsens-Gate gehört habe. Alf Gunnerud.«
    »Ja, davon hab ich auf der Wache gehört, fast ein halbes Kilo.«
    »Und im nächsten Augenblick hat mich ein Typ angerufen und mir den Tipp gegeben, dass er Gunnerud unten am Containerhafen gesehen hat.«
    »Die Spitzel scheinen heute Abend ja aktiv zu sein. Das mit dem Heroin war auch aufgrund eines Tipps. Es kann ja ein Zufall sein, aber zwei anonyme …«
    »Vielleicht ist es der gleiche Spitzel«, unterbrach ihn Waaler. »Vielleicht einer, der es auf Gunnerud abgesehen hat, weil der ihn betrogen hat oder so.«
    »Vielleicht …«
    »Sie wollen also in ein Kommissariat?«, fragte Waaler und Thommessen meinte eine gewisse Verärgerung in seiner Stimme zu hören. Sie scherten aus dem Kreisverkehr in Richtung Hafen aus. »Ja, das kann ich verstehen. Das ist schon etwas anderes. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, in welches Dezernat?«
    »Gewaltverbrechen«, sagte Thommessen. »Oder Raub. Nicht Sitte, denke ich.«
    »Nein, klar. Da wären wir.«
    Sie rollten über einen dunklen, offenen Platz mit übereinander gestapelten Containern, der am Ende von einem rosa Gebäude begrenzt wurde.
    »Der da unter der Lampe passt auf die Beschreibung«, sagte Waaler.
    »Wo?«, fragte Thommessen mit zusammengekniffenen Augen.
    »Dahinten am Gebäude.«
    »Mein Gott, Sie sehen aber gut.«
    »Sind Sie bewaffnet?«, fragte Waaler und wurde langsamer.
    Thommessen blickte Waaler überrascht an. »Sie haben nichts davon gesagt, dass …«
    »Ist schon O.K., ich habe eine Waffe. Bleiben Sie im Wagen, damit Sie Verstärkung rufen können, wenn er Probleme macht, O.K.?«
    »Gut. Sind Sie sicher, dass wir nicht jetzt schon Verst…«
    »Wir haben nicht genug Zeit.« Waaler machte das Fernlicht an und stoppte den Wagen. Thommessen schätzte die Distanz bis zu der Silhouette unter der Lampe auf fünfzig Meter, doch spätere Messungen sollten ergeben, dass es genau vierunddreißig Meter waren.
    Waaler lud seine Pistole – eine Glock 20, die er beantragt und für die er eine Ausnahmegenehmigung bekommen hatte –, nahm eine große, schwarze Taschenlampe, die zwischen den Vordersitzen gelegen hatte, und stieg aus. Er rief etwas und begann auf den Mann zuzugehen. In den Berichten der beiden Polizeibeamten über die Geschehnisse sollte sich später genau in diesem Punkt ein kleiner Unterschied herausstellen. In Waalers Report stand, dass er gerufen hatte: »Polizei! Zeig sie mir!« Womit er natürlich meinte, er solle ihm die Hände über seinem Kopf zeigen. Der Staatsanwalt stimmte zu, dass davon auszugehen sei, dass ein mehrfach vorbestrafter Straftäter diese Art Ausdrucksweise zu verstehen wisse. Im Übrigen hätte Hauptkommissar Waaler sich ja in jedem Fall eindeutig als Polizist zu erkennen gegeben. In Thommessens Bericht stand ursprünglich, Waaler habe gerufen: »Hei, hier ist der Onkel Polizist. Zeig sie mir.« Nach einer Beratung zwischen Thommessen und Waaler habe Thommessen dann aber Waalers Version als die wahrscheinlich richtigere bezeichnet.
    Über das, was danach geschehen war, gab es keine Meinungsverschiedenheiten. Der Mann unter der Lampe hatte seine Hand unter seine Jacke geschoben und eine Waffe gezogen, die sich später als eine Jericho 941 mit herausgefeilter Seriennummer herausstellte und deren Herkunft somit unmöglich zurückzuverfolgen war. Waaler – einer der besten Schützen des Polizeikorps – hatte aufgeschrien und rasch drei Schüsse abgefeuert. Zwei davon trafen Alf Gunnerud. Der eine in die linke Schulter, der andere in die Hüfte. Keiner der Treffer war tödlich, doch Gunnerud stürzte zu Boden und blieb liegen. Waaler rannte daraufhin mit gezückter Waffe auf Gunnerud zu und rief: »Polizei! Finger weg von der Waffe, sonst schieße ich! Waffe weg! Waffe weg, habe ich gesagt!«
    Ab diesem Moment hatte der Bericht von Stein Thommessen nichts Substanzielles mehr zu bieten, da er sich vierunddreißig Meter entfernt befand, es dunkel war und ihm Waaler überdies die Sicht auf

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