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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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reichte ihr einen gelben Umschlag. »Vom Schlüsseldienst.«
    »Ach, der Schlüssel. Ging alles glatt?«
    »Der Typ hinter dem Tresen hat sich meinen Ausweis ziemlich genau angeguckt. Und ich musste unterschreiben. Merkwürdiger Typ.« Harry sah auf die Uhr und gähnte.
    »Bei diesen Systemschlüsseln sind sie immer sehr streng«, sagte Anna schnell. »Der passt ja im ganzen Haus, Eingangstür, Kellertür, Wohnung, alles.« Sie lachte schnell und nervös. »Die brauchten eine schriftliche Bestätigung der Besitzergemeinschaft, nur um diesen einen Nachschlüssel machen zu lassen.«
    »Verstehe«, sagte Harry, wippte auf den Hacken und holte tief Luft, um Gute Nacht zu sagen.
    Sie kam ihm zuvor. Ihre Stimme klang fast flehend: »Nur eine Tasse Kaffee, Harry.«
     
    An der hohen Decke hing noch der gleiche Kronleuchter und auch der alte Esstisch stand noch im großen Wohnzimmer. Harry meinte sich daran zu erinnern, dass die Wände hell gewesen waren, weiß, oder vielleicht gelb. Doch er war sich nicht sicher. Jetzt waren sie blau, was den Raum kleiner wirken ließ. Vielleicht wollte Anna etwas gegen die Leere tun. Es ist nicht leicht für einen einzigen Menschen, eine Wohnung mit drei Wohnzimmern, zwei großen Schlafzimmern und einer 3,50 Meter hohen Decke zu füllen. Harry erinnerte sich an Annas Erzählung, dass auch ihre Großmutter hier allein gewohnt hatte. Doch dass sie nicht viel Zeit hier verbracht hätte, denn sie war eine bekannte Sopranistin gewesen und in der Welt herumgereist, so lange sie noch singen konnte.
    Anna verschwand in der Küche und Harry blickte in das sich anschließende Zimmer. Der Raum war nackt und leer, abgesehen von einem Pferd in der Größe eines Islandponys, das auf vier hölzernen Beinen in der Mitte des Raumes stand. Zwei runde Griffe ragten aus dem Rücken. Harry trat dicht heran und strich mit der Hand über das glatte, braune Leder.
    »Hast du zu turnen begonnen?«, rief er.
    »Wegen dem Seitpferd?«, erwiderte Anna aus der Küche.
    »Ich dachte, das sei ein Gerät für Männer?«
    »Ja, klar. Bist du sicher, dass du kein Bier verträgst, Harry?«
    »Ganz sicher«, rief er zurück. »Aber mal im Ernst, wo hast du das denn her?«
    Harry zuckte zusammen, als er ihre Stimme plötzlich dicht hinter sich hörte: »Weil es mir Spaß macht, Dinge zu tun, die Männer machen.«
    Harry drehte sich um. Sie hatte sich den Pullover ausgezogen und stand in der Tür. Eine Hand ruhte auf ihrer Hüfte und mit der anderen stützte sie sich am Türrahmen ab. Es gelang Harry gerade noch, sie nicht von Kopf bis Fuß zu mustern.
    »Das hab ich vom Osloer Turnverein gekauft. Es soll ein Kunstwerk werden. Eine Installation. Wie seinerzeit das ›Kontakt‹, du erinnerst dich doch?«
    »Du meinst diese Box mit dem Vorhang auf dem Tisch, in die man die Hand stecken sollte? Und in der diese vielen künstlichen Hände waren, die man drücken konnte?«
    »Oder streicheln, oder mit ihnen flirten. Oder sie abweisen. Der Witz war, dass da Heizelemente drin waren, die sie auf Körpertemperatur hielten. Nicht wahr? Die Menschen glaubten, dass sich jemand unter dem Tisch versteckte. Komm, ich zeig dir noch etwas anderes.«
    Er folgte ihr zu dem dritten, am weitesten hinten liegenden Zimmer, dessen Schiebetür Anna öffnete. Dann nahm sie seine Hand und zog ihn ins Dunkle. Als das Licht anging, blieb Harry stehen und starrte auf die Lampe. Es war eine vergoldete Stehlampe in Form eines Frauenkörpers, die in der einen Hand eine Waage und in der anderen ein Schwert hielt. Die drei Lampen waren am äußeren Rand von Schwert, Kopf und Waage befestigt, und als Harry sich umdrehte, erkannte er, dass diese Lampen drei Ölgemälde anstrahlten. Zwei davon hingen an der Wand, während das dritte, offensichtlich noch unvollendete Bild auf einer Staffelei stand, an der unten links eine gelb und braun gesprenkelte Palette befestigt war.
    »Was sind das für Bilder?«, fragte Harry.
    »Das sind Porträts, erkennst du das nicht?«
    »Ah, ja. Sind das die Augen?« Er zeigte auf das Bild. »Und das der Mund?«
    Anna legte den Kopf zur Seite. »Wenn du willst. Das sind drei Männer.«
    »Jemand, den ich kenne?«
    Anna sah Harry lange nachdenklich an, ehe sie antwortete: »Nein, ich glaube nicht, dass du einen davon kennst, Harry. Aber das kann ja noch werden. Wenn du wirklich willst.«
    Harry sah sich die Bilder genauer an.
    »Erzähl mir, was du siehst.«
    »Ich sehe meinen Nachbarn mit dem Kickboard. Und einen Typ, der aus dem

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