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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gleichzeitig sprechen und trinken konnte: »Groß. Zwei Meter, vielleicht. Sie hat ihre Arbeit immer so genau genommen, die Stine.«
    »Er war nicht so groß, Herr Klementsen.«
    »Dann vielleicht 1,90. Und sie trat immer so gepflegt auf.«
    »Und was trug er für Kleider?«
    »Etwas Schwarzes, Gummiartiges. Im Sommer hat sie zum ersten Mal richtig Ferien gemacht, auf Kos.«
    Frau Klementsen schnaubte.
    »Gummiartig?«, fragte Beate.
    »Ja. Und eine Haube.«
    »Welche Farbe, Herr Klementsen?«
    »Rot.«
    In diesem Moment hatte Beate mit dem Protokollieren aufgehört und kurz daraufhatten sie wieder im Auto in Richtung Stadt gesessen.
    »Wenn die Richter und Schöffen wüssten, wie unzuverlässig Zeugenaussagen bei solchen Banküberfällen sind, dürften wir die sicher nicht als Beweismittel verwenden«, hatte Beate gesagt. »Es ist fast schon faszinierend fehlerhaft, was sich die Gehirne der Menschen so alles ausdenken. Als würde ihnen die Furcht eine Brille aufsetzen, die alle Bankräuber größer und schwärzer machte, ihre Waffen vervielfältigte und die Sekunden in die Länge zog. Der Bankräuber brauchte etwas über eine Minute, aber Frau Brasnne, die Frau am Schalter gleich beim Eingang, meinte, er müsse an die fünf Minuten da gewesen sein. Und er war nicht zwei Meter groß, sondern 1,78 Meter. Wenn er keine Einlegesohlen trug, was bei Profis auch nicht ausgeschlossen ist.«
    »Woher willst du die Größe so genau wissen?«
    »Aus dem Video. Man misst die Höhe im Vergleich zum Türrahmen, wenn der Räuber die Bank betritt. Ich war heute Morgen in der Filiale, habe Kreidemarkierungen gesetzt, neue Bilder gemacht und dann gemessen.«
    »Hm, bei uns überlassen wir so etwas der Spurensicherung.«
    »Größenmessung per Video ist etwas komplizierter, als es sich anhört. Die Spurensicherung irrte sich zum Beispiel um drei Zentimeter bei dem Überfall auf die DnB in Kaldbakken 1989. Deshalb mache ich lieber meine eigenen Messungen.«
    Harry hatte sie angesehen und sich gefragt, warum sie wohl zur Polizei gegangen war. Stattdessen hatte er gefragt, ob sie ihn beim Schlüsseldienst in der Vibes Gate herauslassen konnte. Ehe er aus dem Wagen stieg, hatte er sie auch noch gefragt, ob sie bemerkt habe, dass Klementsen nicht einen Tropfen aus der randvollen Kaffeetasse verschüttet hatte, die er während der ganzen Befragung in der Hand gehalten hatte. Sie hatte es nicht.
    »Gefällt es dir hier?«, fragte Anna und ließ sich auf den Stuhl fallen.
    »Tja.« Harry sah sich um. »So ganz meine Richtung ist das nicht.«
    »Meine auch nicht«, sagte Anna, nahm ihre Tasche und stand auf. »Komm, wir gehen zu mir.«
    »Du hast gerade dein Bier gekriegt.« Harry deutete auf das Glas mit der Schaumkrone.
    »Es ist so langweilig, alleine zu trinken«, sagte sie mit einer Grimasse. »Entspann dich, Harry. Komm.«
    Draußen hatte der Regen aufgehört und die frisch gespülte, kalte Luft schmeckte gut.
    »Erinnerst du dich an den Herbsttag, an dem wir im Maridal waren?«, fragte Anna, schob ihre Hand unter seinen Arm und ging los.
    »Nein«, sagte Harry.
    »Natürlich tust du das! In deinem desolaten Ford Escort, in dem man nicht einmal die Sitze runterklappen konnte.«
    Harry lächelte schief.
    »Du wirst ja rot«, rief sie begeistert aus. »Dann erinnerst du dich sicher auch noch, dass wir das Auto abgestellt haben und in den Wald gegangen sind. Und all die gelben Blätter, das war wie ein …« Sie drückte seinen Arm. »Wie ein Bett. Ein gediegenes, goldenes Bett.« Sie lachte und gab ihm einen Schubs. »Und anschließend musste ich dir helfen, deinen Kadaver von Auto wieder in Gang zu bringen. Das bist du doch wohl inzwischen los?«
    »Tja«, sagte Harry. »Es ist in der Werkstatt, warten wir's mal ab.«
    »Och nein. Jetzt hast du dich angehört, als sei das ein Freund, der mit einer Geschwulst oder irgend so etwas im Krankenhaus liegt.« Und dann fügte sie leise hinzu: »Du solltest nicht so leicht aufgeben, Harry.«
    Er antwortete nicht.
    »Da wären wir«, sagte sie. »Aber daran erinnerst du dich doch noch?« Sie standen vor einer blauen Haustür in der Sorgenfrigata.
    Harry löste sich vorsichtig. »Hör mal, Anna«, begann er und versuchte, ihren warnenden Blick zu ignorieren. »Ich habe morgen schrecklich früh eine Besprechung mit den Fahndern vom Raubdezernat.«
    »Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen«, sagte sie und öffnete die Tür.
    Harry kam etwas in den Sinn, er schob die Hand in seine Manteltasche und

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