Die Fährte
den Kopf. »Nein, ich glaube, er hat sie überhaupt nicht gefunden.«
»Wir haben das überprüft, sie hat überhaupt nicht in diesem Hotel eingecheckt«, sagte Beate. »Und Trond flog mit einem früheren Flugzeug zurück als sie.«
»Außerdem hat Trond in São Paulo 30000 Kronen von seinem Konto abgehoben. Zuerst hat er behauptet, dafür einen Diamantring gekauft zu haben, dann, dass er Lev das Geld gegeben habe, weil er pleite gewesen sei. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass nichts davon stimmt, ich glaube, das Geld war die Bezahlung für eine Ware, für die São Paulo bekannter ist als für Juwelen.«
»Und das wäre«, fragte Ivarsson sichtlich irritiert, als Harrys Pause kein Ende nehmen wollte.
»Auftragsmord.«
Harry hätte am liebsten noch länger gewartet, erkannte aber an Beates Blick, dass sie sein Verhalten bereits jetzt schon recht theatralisch fand. »Als Lev im Herbst nach Oslo zurückkam, bezahlte er die Reise mit seinem eigenen Geld. Er war alles andere als pleite und wollte auch keine Bank ausrauben. Er war gekommen, um Stine mit nach Brasilien zu nehmen.«
»Stine?«, platzte Møller hervor. »Die Frau seines eigenen Bruders?«
Harry nickte. Blicke zuckten hin und her.
»Und Stine soll nach Brasilien gegangen sein, ohne irgendjemand davon zu erzählen?«, fuhr Møller fort. »Weder den Eltern noch den Freunden? Sogar ohne ihren Job zu kündigen?«
»Tja«, sagte Harry. »Wenn du dich entschlossen hast, dein Leben mit einem Bankräuber zu teilen, der sowohl von der Polizei als auch von Kollegen gesucht wird, gibst du deine Pläne und deine neue Adresse sicher nicht bekannt. Es gab nur eine Person, der sie alles gesagt hat, und das war Trond.«
»Der Letzte, dem sie es hätte sagen dürfen«, fügte Beate hinzu.
»Sie glaubte wohl, ihn zu kennen, nach den dreizehn Jahren, die sie zusammen waren.« Harry trat ans Fenster. »Der empfindliche, aber Wärme und Sicherheit gebende Buchhalter, der sie so über alles liebte. Lasst mich ein bisschen spekulieren, was weiter geschehen ist.«
Ivarsson schnaubte: »Und wie nennen Sie das, was Sie bisher getan haben?«
»Als Lev nach Oslo kommt, nimmt Trond Kontakt mit ihm auf. Er sagt, dass sie als erwachsene Menschen doch in der Lage sein sollten, über alles zu reden. Lev ist froh und erleichtert. Doch er will sich in der Stadt nicht zeigen, das ist ein zu großes Risiko für ihn, weshalb sie sich in Disengrenda treffen, während Stine in der Arbeit ist. Lev kommt und wird von Trond freundlich empfangen, der behauptet, er sei zu Beginn schon sehr betroffen gewesen, habe das jetzt aber verarbeitet und freue sich für sie. Er macht ihnen beiden eine Flasche Cola auf, und sie trinken und reden über praktische Details. Trond bekommt Levs geheime Adresse in D'Ajuda, damit er die Post weitersenden und Stines letzten Lohn überweisen kann. Als Lev geht, weiß er nicht, dass er Trond soeben die letzten Details für einen Plan gegeben hat, der seinen Ausgangspunkt bereits in Tronds Reise nach São Paulo hatte.«
Harry sieht, dass Weber langsam zu nicken beginnt.
»Freitagmorgen. D-Day. Nachmittags will Stine mit Lev nach London fliegen und von dort am nächsten Morgen nach Brasilien. Der Flug ist bei Brastour reserviert, als Reisepartner ist ein Peter Berntsen angegeben worden. Die Koffer stehen gepackt zu Hause. Aber sie und Trond gehen wie gewöhnlich zur Arbeit. Um zwei ist Trond mit der Arbeit fertig und geht ins SATS-Center in der Sporveisgate. Als er kommt, bezahlt er mit seiner Mitgliedskarte für eine Squashstunde, die er reserviert hat, sagt dann aber, er habe keinen Partner gefunden. Damit ist der erste Teil seines Alibis gesichert: eine registrierte BBS-Bezahlung um 14.34 Uhr. Dann sagt er, dass er stattdessen im Studio trainieren will, und verschwindet in der Garderobe. Um diese Uhrzeit sind dort viele verschiedene Menschen. Er schließt sich mit seiner Tasche auf dem Klo ein, zieht sich den Overall an mit irgendetwas darüber, das ihn verbirgt, vermutlich einen langen Mantel, wartet, bis er damit rechnen kann, dass alle, die ihn in der Toilette haben verschwinden sehen, gegangen sind, setzt seine Sonnenbrille auf, nimmt seine Tasche und geht schnell und unbemerkt aus der Garderobe und an der Rezeption vorbei. Ich tippe, dass er Richtung Stenspark und Pilestrede gegangen ist. Dort ist eine Baustelle, wo sie gegen drei Uhr mit der Arbeit aufhören. Er geht hinein, zieht seinen Mantel aus und setzt sich die hochgerollte Sturmhaube auf den
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