Die Fährte
Kopf, die er mit einer Schirmmütze kaschiert. Dann geht er den Hügel hoch und nach links in Richtung Industrigata. Als er zur Kreuzung am Bogstadvei kommt, geht er in den 7-Eleven. Er war ein paar Wochen vorher da, um die Winkel der Kameraeinstellungen auszukundschaften. Und der Container, den er bestellt hat, ist da. Die Bühne ist bereit für die eifrigen Polizisten. Natürlich erwartet er, dass wir für den betreffenden Zeitpunkt alle Kameras in den Läden und Tankstellen ringsherum überprüfen. Dann spielt er uns dieses kleine Schauspiel vor, bei dem wir sein Gesicht nicht sehen, wohl aber sehr deutlich eine Flasche Cola erkennen, aus der er ohne Handschuhe trinkt und die er dann in eine Plastiktüte steckt, damit er und wir uns sicher sein können, dass die Fingerabdrücke nicht durch möglichen Regen verwischt werden. Er wirft sie schließlich in den grünen Container, der erst nach ein paar Tagen abgeholt werden soll. Natürlich hatte er eine recht hohe Meinung von uns, und fast hätten wir dieses Beweisstück ja auch nicht sichern können, aber er hatte Glück – Beate fuhr dermaßen verrückt, dass wir es schafften, Trond ein wasserdichtes Alibi zu verschaffen, indem wir den endgültigen, zweifelsfreien Beweis gegen Lev sicherten.«
Harry hielt inne. Die Gesichter vor ihm drückten leichte Verwirrung aus.
»Bei der Colaflasche handelte es sich um diejenige, aus der Lev in der Disengrenda getrunken hatte«, sagte Harry. »Oder sonst irgendwo. Trond hatte sie genau für diesen Zweck aufbewahrt.«
»Ich fürchte, Sie vergessen eines«, murmelte Ivarsson. »Ihr habt doch selbst gesehen, dass der Bankräuber die Flasche ohne Handschuhe angefasst hat. Wenn es Trond Grette gewesen ist, müssen doch auch seine Fingerabdrücke auf der Flasche sein.«
Harry nickte Weber zu.
»Kleber«, sagte der alte Polizist kurz.
»Wie bitte?« Der Polizeipräsident wandte sich zu Weber.
»Ein bekannter Trick unter Bankräubern. Man schmiert sich einfach ein bisschen Klebstoff auf die Fingerkuppen, lässt es trocknen und – schwups – keine Fingerabdrücke mehr.«
Der Polizeipräsident schüttelte den Kopf. »Aber woher kennt dieser Buchhalter, wie ihr ihn nennt, all diese Tricks?«
»Er war der kleine Bruder eines der professionellsten Bankräuber Norwegens«, sagte Beate. »Er kannte die Vorgehensweise und den Stil von Lev in- und auswendig. Außerdem bewahrte Lev die Videos seiner Überfälle zu Hause in der Disengrenda auf. Trond hat sich die Methoden so exakt angeeignet, dass er sogar Raskol täuschen konnte. Und dazu kommt noch die physische Ähnlichkeit zwischen den zwei Brüdern, so dass die Videoanalyse bestätigte, es könne sich bei dem Täter um Lev Grette handeln.«
»Verdammt«, entfuhr es Halvorsen. Er zog den Kopf ein und blickte verlegen zu Bjarne Møller, doch Møller saß bloß mit offenem Mund da und starrte dumpf vor sich hin, als habe man ihm eine Kugel durch den Kopf geschossen.
»Du hast die Pistole noch nicht hingelegt, Harry. Hast du eine Erklärung dafür?«
Harry versuchte, gleichmäßig zu atmen, obgleich sein Herz schon längst in panischer Geschwindigkeit auf der Flucht war. Sauerstoff für sein Hirn, das war jetzt das Wichtigste. Er versuchte, nicht zu Beate zu blicken. Sie stand im Wind und ihre blonden, dünnen Haare wehten hin und her. Die Muskeln an ihrem schlanken Hals bewegten sich und ihre Schultern hatten zu zittern begonnen.
»Ganz einfach«, sagte Harry. »Dann erschießt du uns beide. Du musst mir schon einen besseren Vorschlag machen, Trond.«
Trond lachte und legte sein Kinn an den grünen Gewehrkolben. »Was sagst du zu diesem Deal, Harry: Du hast fünfundzwanzig Sekunden, dir noch einmal Gedanken über die Vorschläge zu machen und deine Waffe auf den Boden zu legen.«
»Die üblichen fünfundzwanzig Sekunden?«
»Genau. Du erinnerst dich doch wohl, wie schnell die um waren. Also, überleg es dir schnell, Harry.« Trond trat einen Schritt zurück.
»Weißt du, wie ich auf die Idee gekommen bin, dass sich Stine und der Täter gekannt haben mussten?«, rief Harry. »Sie standen zu dicht beieinander. Viel näher als Beate und du jetzt. Es ist komisch, aber selbst in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, respektieren Menschen wenn möglich ihre jeweilige Intimzone. Ist doch komisch, oder?«
Trond schob die Mündung des Gewehres unter Beates Kinn und drückte ihr Gesicht hoch. »Beate, wärst du so nett, für uns zu zählen?« Er sprach wieder mit diesem
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