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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gesamten Direktion, hatte er sich gesagt.
    Es klopfte an der Tür.
    »Ich wusste nicht, dass Sie zu den Alpha-Tieren zählen, Hole«, sagte Ivarsson zu dem blassen Gesicht in der Tür, während er das Fax zu Ende las. Er hatte den Entwurf eines Zeitungsartikels über die Jagd auf den Exekutor erhalten, für den er tags zuvor interviewt worden war. Das Interview gefiel ihm nicht recht. Zwar hatte er nicht das Gefühl, falsch zitiert worden zu sein, aber es war den Reportern dennoch gelungen, seine Antworten irgendwie ausweichend und unbeholfen darzustellen. Zum Glück waren die Bilder gut. »Was wollen Sie, Hole?«
    »Ihnen nur Bescheid geben, dass ich ein paar Leute zu einer Besprechung im Sitzungszimmer in der sechsten Etage einberufen habe. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Interesse, auch daran teilzunehmen? Es geht um den so genannten Bankraub im Bogstadvei. Wir fangen jetzt an.«
    Ivarsson hielt mit dem Lesen inne und blickte auf. »So, Sie haben also eine Sitzung einberufen? Interessant. Darf ich fragen, wer diese Sitzung genehmigt hat, Hole?«
    »Niemand.«
    »Niemand also.« Ivarsson lachte sein kurzes, schepperndes Möwenlachen. »Dann gehen Sie bitte hinauf und sagen Sie, dass die Sitzung bis nach dem Lunch verschoben ist. Ich habe hier nämlich einen ganzen Stapel Berichte, die ich jetzt erst lesen muss, verstanden?«
    Harry nickte langsam, als müsse er erst nachdenken. »Verstanden. Aber die Sache läuft im Rahmen des Dezernats für Gewaltverbrechen und wir fangen jetzt an. Viel Vergnügen mit den Berichten.«
    Er drehte sich um, doch im gleichen Moment knallte Ivarssons Faust auf die Tischplatte.
    »Hole! Sie drehen mir, verflucht noch mal, nicht so einfach den Rücken zu! Wenn hier im Hause einer Sitzungen einberuft, dann bin ich das. Ganz besonders, wenn es um Raub geht. Haben Sie das verstanden?« Eine rote, nasse Unterlippe vibrierte im weißen Gesicht des Dezernatsleiters.
    »Wie Sie gehört haben, habe ich von dem so genannten Banküberfall im Bogstadvei gesprochen, Ivarsson.«
    »Und was, zum Teufel, meinen Sie damit?« Seine Stimme war bloß noch ein Pfeifen.
    »Ich meine damit, dass der Überfall im Bogstadvei niemals wirklich ein Raub war«, sagte Harry. »Das war ein gut geplanter Mord.«
    Harry stand am Fenster und sah über das Botsen. Draußen war der Tag irgendwie widerwillig wie ein knirschender Karren in Gang gekommen. Regenwolken über dem Ekeberg und schwarze Regenschirme im Grønlandsleiret. Hinter seinem Rücken waren alle versammelt: Bjarne Møller, gähnend und tief in seinem Stuhl hängend. Der Polizeipräsident, lächelnd mit Ivarsson schwatzend. Weber, still, mit ungeduldig verschränkten Armen. Halvorsen mit gezücktem Notizblock und Beate Lønn mit nervös flackerndem Blick.
     

 
     
     

    Kapitel 49 – Stone Roses
     
    Die Regenwolken hatten im Laufe des Tages ein Einsehen, und die Sonne kam zögernd zwischen all dem Bleigrau zum Vorschein, bis sich die Wolken plötzlich wie der Vorhang einer Bühne für den finalen Akt öffneten. Es sollte sich zeigen, dass dies die letzten wolkenlosen Stunden des Jahres waren, ehe die Stadt endgültig ihre Winterdecke über sich zog. Als Harry zum dritten Mal die Klingel drückte, lag das Haus in der Disengrenda wie in Sonne gebadet da.
    Er konnte die Uhr wie ein Magenknurren im Reihenhaus hören. Dann öffnete sich knackend das Fenster des Nachbarn.
    »Trond ist nicht da«, krächzte es. Ihr Gesicht hatte inzwischen einen anderen Braunton, eine Art Gelbbraun, das Harry an von Nikotin verfärbte Haut denken ließ. »Der Arme«, fügte sie hinzu.
    »Wo ist er?«, fragte Harry.
    Sie verdrehte die Augen und deutete mit ihrem Daumen über die Schulter.
    »Auf dem Tennisplatz?«
    Beate begann zu gehen, doch Harry blieb stehen.
    »Ich habe noch einmal über unser letztes Gespräch nachgedacht«, sagte Harry. »Über die Fußgängerbrücke. Sie sagten, alle seien so überrascht gewesen, weil er so ein stiller, höflicher Junge war.«
    »Ja?«
    »Aber dass alle hier auf der Straße wussten, dass er es war, der das getan hatte.«
    »Wir haben ihn ja morgens hier losfahren sehen.«
    »In der roten Jacke?«
    »Ja.«
    »Levs Jacke?«
    »Lev?« Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Ich rede doch nicht von Lev. Der hatte sicher die seltsamsten Ideen, aber bösartig war er nie.«
    »Wer war es dann?«
    »Trond. Von dem habe ich die ganze Zeit gesprochen. Ich hab ja gesehen, wie blass er war, als er zurückkam. Trond kann doch kein Blut

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