ist ja bei einem Fotografen entwickelt worden, und vielleicht hat jemand, der dort arbeitet, eine Kopie gemacht. Außerdem gehen viele Menschen in unserem Haus ein und aus. Es gibt also viele, sehr viele mögliche Erklärungen.«
»Hm.« Harry hörte, dass Arne Albus Stimme nicht die gleiche, selbstsichere Ruhe hatte wie noch am Mittag. Und nach ein paar Sekunden knisternder Stille fuhr Albu fort: »Wenn Sie noch Fragen zu diesem Thema haben, nehmen Sie bitte im Büro Kontakt mit mir auf. Soweit ich weiß, hat Ihnen meine Frau meine Büronummer gegeben.«
»Und soweit ich weiß, wollen Sie nicht zu Geschäftszeiten gestört werden, nicht wahr, Herr Albu?«
»Ich möchte bloß … meine Frau gerät so schnell in Stress. Eine tote Frau mit einem Bild im Schuh, mein Gott! Besprechen Sie das bitte direkt mit mir.«
»Ich verstehe. Aber das Bild zeigt Ihre Frau mit dem Kind.«
»Sie hat keine Ahnung davon, das sagte ich doch schon!« Und dann fügte er hinzu, als bereue er seinen hitzigen Tonfall:
»Ich verspreche Ihnen, dass ich alle Möglichkeiten überprüfen werde, wie es dazu gekommen sein kann.«
»Danke für das Angebot, aber ich muss mir trotzdem das Recht vorbehalten, mit demjenigen zu sprechen, den ich für den richtigen Ansprechpartner halte.« Harry konzentrierte sich auf Albus Atem, ehe er hinzufügte: »Ich hoffe, Sie verstehen das.«
»Hören Sie …«
»Es tut mir Leid, aber darüber gibt es nichts zu diskutieren, Albu. Ich werde mit Ihnen oder Ihrer Frau Kontakt aufnehmen, wenn ich etwas wissen muss.«
»Warten Sie! Sie verstehen nicht. Meine Frau verliert schnell … die Fassung.«
»Sie haben Recht, ich verstehe das nicht. Ist sie krank?«
»Krank?«, fragte Albu verblüfft. »Nein, aber …«
»Dann, denke ich, sollten wir dieses Gespräch beenden.« Harry betrachtete sich selbst im Spiegel. »Ich bin jetzt nicht im Dienst. Guten Abend, Herr Albu.«
Er legte auf und warf noch einmal einen Blick in den Spiegel. Jetzt war es verschwunden, dieses kleine Lächeln, die Schadenfreude. Das Schulmeisterhafte. Die Selbstgerechtigkeit. Der Sadismus. Die vier »S« der Rache. Aber da war noch mehr. Etwas, das nicht stimmte, das fehlte. Er studierte sein Spiegelbild. Vielleicht war es nur das Licht.
Harry setzte sich vor den PC, während er daran dachte, dass er sich das mit den vier »S« merken sollte, um mit Aune darüber zu sprechen. Der sammelte so etwas. Die Mail, die er bekommen hatte, stammte von einer Adresse, die er nicht kannte:
[email protected]. Er klickte sie an.
Und während er vor dem Bildschirm saß, nistete sich die Kälte für das ganze restliche Jahr erst richtig in Harry Holes Körper ein.
Es geschah, während er die Nachricht las, während sich seine Nackenhaare aufstellten und sich seine Haut wie zu klein gewordene Kleider um seinen Körper spannte:
Machen wir ein Spielchen? Stellen wir uns doch einmal vor, du wärst zum Abendessen bei einer Frau gewesen und am nächsten Tag wird sie tot aufgefunden. Was tust du?
C#MN
Das Telefon klingelte klagend. Harry wusste, dass es Rakel war. Er ließ es klingeln.
Kapitel 17 – Arabias Tränen
Halvorsen war schwer überrascht, Harry zu sehen, als er die Tür öffnete.
»Du bist schon da? Bist du dir im Klaren, dass es erst …«
»Konnte nicht schlafen«, murmelte Harry, der mit verschränkten Armen vor dem PC hockte. »Verflucht, wie langsam diese Maschinen arbeiten.«
Halvorsen blickte ihm über die Schulter. »Es kommt auf die Übertragungsgeschwindigkeit an, wenn du im Internet recherchierst. Jetzt bist du auf einer normalen ISDN-Linie, aber freu dich, bald haben wir einen besseren Anschluss. Du suchst Artikel im Wirtschaftsblatt Dagens Næringsliv ?«
»Ah, ja.«
»Arne Albu? Hast du mit Vigdis Albu gesprochen?«
»Ja doch.«
»Was haben die eigentlich mit diesem Banküberfall zu tun?«
Harry blickte nicht auf. Er hatte nicht gesagt, dass das mit dem Überfall zu tun hatte, doch er hatte es auch nicht bestritten, weshalb sein Kollege natürlich davon ausgehen musste, dass es damit zu tun hatte. Harry antwortete nicht, denn im gleichen Moment erfüllte das Gesicht von Arne Albu den gesamten Bildschirm. Über dem straffen Schlipsknoten thronte das breiteste Grinsen, das Harry an diesem Tag gesehen hatte. Halvorsen schmatzte laut und las vor:
»Dreißig Millionen für einen Familienbetrieb. Arne Albu kann ab heute über dreißig Millionen auf seinem Privatkonto verfügen, nachdem die