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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gepackt. »Ich muss antworten, das ist ein Autor, wir diskutieren die Übersetzung.«
    »Dann werde ich mich kurz fassen«, sagte Harry. »Ich möchte nur, dass Sie sich auch noch dies hier anschauen.«
    Er reichte ihr einen Zettel. Sie nahm ihn entgegen, warf einen Blick darauf und blickte Harry misstrauisch an.
    »Sehen Sie sich das Bild nur gut an«, sagte Harry. »Nehmen Sie sich Zeit.«
    »Das brauche ich nicht«, sagte sie und gab ihm den Zettel zurück.
     
    Harry brauchte zehn Minuten, um vom Polizeipräsidium hinauf zur Kjolberggate 21a zu gehen. Der heruntergekommene Backsteinbau hatte mit der Zeit schon vieles beherbergt: Gerberei, Druckerei, Schmiede und sicher noch Verschiedenes mehr. Eine Erinnerung daran, dass es in Oslo einmal eine Industrie gegeben hatte. Jetzt war hier der Sitz der Kriminaltechnik. Trotz der modernen Beleuchtung und Einrichtung hatte der Bau seinen industriellen Touch bewahrt. Harry fand Weber in einem der kalten, großen Räume.
    »Verflucht!«, sagte Harry. »Bist du ganz sicher?«
    Weber lächelte müde. »Die Fingerabdrücke auf der Flasche sind so gut, dass die Computer sie gefunden hätten, wenn sie in unserer Datenbank wären. Wir könnten natürlich noch manuell suchen, um hundertundzehnprozentig sicher zu sein, aber das würde Wochen dauern und wir würden doch nichts finden. Garantiert.«
    »Sorry«, sagte Harry. »Ich war mir nur so sicher, dass wir ihn hätten. Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Typ noch niemals wegen irgendetwas aufgefallen ist, einfach für verschwindend gering.«
    »Dass wir den Typ nicht in unserem Archiv haben, heißt bloß, dass wir woanders suchen müssen. Aber jetzt haben wir jedenfalls eine konkrete Spur. Diesen Fingerabdruck und die Gewebefasern aus dem Kirkevei. Wenn ihr nur den Mann findet, haben wir einen niet- und nagelfesten Beweis. Helgesen!«
    Ein junger Mann, der gerade an ihnen vorbeiging, blieb wie angewurzelt stehen.
    »Ich hab diese Mütze vom Akerselva in einer unversiegelten Tüte bekommen«, brummte Weber. »Wir sind hier nicht in einem Schweinestall, verstanden?«
    Helgesen nickte und warf Harry einen vielsagenden Blick zu.
    »Nimm es wie ein Mann«, sagte Weber und richtete sich wieder an Harry. »Dir ist jedenfalls erspart geblieben, was Ivarsson heute durchmachen musste.«
    »Ivarsson?«
    »Weißt du wirklich noch nicht, was heute im Kulvert geschehen ist?«
    Harry schüttelte den Kopf und Weber rieb sich amüsiert die Hände. »Dann kannst du auf jeden Fall noch eine gute Geschichte mitnehmen, Hole.«
     
    Webers Darstellung ähnelte den Polizeiberichten, die er verfasste. Kurze, grob gemeißelte Sätze, die den Handlungsverlauf ohne malerische Gefühlsbeschreibungen, Stimmungen und Gesichtsausdrücke schilderten. Doch Harry hatte keine Schwierigkeiten, die Zwischenräume auszufüllen. Er sah vor sich, wie Dezernatsleiter Rune Ivarsson und Weber in einen der zwei Besuchsräume der Abteilung A traten, und hörte, wie die Tür verriegelt wurde. Beide Räume lagen am Empfang und waren für Familienbesuche gedacht. Hier konnte der Inhaftierte eine knappe Stunde mit seinen Nächsten in einem Raum zusammensitzen, bei dem man sich um eine freundliche Gestaltung bemüht hatte – mit einfachen Möbeln, Plastikblumen und ein paar blassen Aquarellen an den Wänden.
    Raskol stand, als sie eintraten. Er hatte ein dickes Buch unter dem Arm, und auf dem niedrigen Tischchen vor ihm stand ein Schachbrett, auf dem er die Figuren bereits aufgestellt hatte. Er sagte kein Wort und sah die zwei bloß mit braunen, leidenden Augen an. Er trug ein weißes, kuttenartiges Hemd, das ihm fast bis an die Knie reichte. Ivarsson fühlte sich unwohl und forderte den dünnen, großen Zigeuner mit barscher Stimme auf, sich zu setzen. Raskol folgte der Anweisung mit der Andeutung eines Lächelns.
    Ivarsson hatte sich statt einem der jüngeren Mitarbeiter der Sonderkommission für Weber als Begleitung entschieden, denn er meinte, dass dieser als alter Polizei-Fuchs am besten in der Lage sei, Raskol »richtig anzupacken«, wie er sich ausgedrückt hatte. Weber schob einen Stuhl an die Tür und nahm einen Notizblock heraus, während Ivarsson direkt vor dem berüchtigten Gefangenen Platz nahm.
    »Bitte sehr, Dezernatsleiter Ivarsson«, sagte Raskol und deutete mit offener Handfläche an, dass der Polizist die Schachpartie eröffnen sollte.
    »Wir sind gekommen, um Informationen zu erhalten, nicht um zu spielen«, sagte Ivarsson und breitete fünf Fotos

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