Die Fährte
Rückweg hatte ihn die schwere Einkaufstasche förmlich in den Kies gedrückt, und fast glaubte er, über brennende Kohlen zu gehen. Doch da fiel sein Blick auf etwas vor ihm auf dem Weg – ein etwas größerer Stein oder ein Blatt –, und er stellte sich vor, dass das sein nächstes Ziel war, das er noch schaffen musste. Als er endlich nach anderthalb Stunden wieder zu Hause war, war die Milch in der Sonne geronnen und seine Mutter wütend. Harry öffnete die Augen. Graue Wolken hasteten über den Himmel.
In dem braunen Gras neben dem Weg entdeckte er die Spuren eines Autos. Die groben, tiefen Abdrücke deuteten darauf hin, dass es sich um einen schweren Wagen mit Geländereifen handeln musste, vielleicht einen Landrover oder etwas Ähnliches. Bei all dem Regen der letzten Zeit konnten die Spuren nicht alt sein. Vermutlich nur ein paar Tage.
Er sah sich um und dachte, dass es kaum etwas Verlasseneres gibt als eine Sommerfrische im Herbst. Auf dem Weg zurück zur Hütte nickte er der Möwe zu.
Halvorsen beugte sich mit einem elektrischen Dietrich über das Schloss und stöhnte.
»Wie läuft's?«
»Schlecht.« Halvorsen richtete sich auf und wischte sich den Schweiß ab. »Das ist kein Amateurschloss. Wenn du nicht zum Brecheisen greifen willst, können wir aufgeben.«
»Kein Brecheisen.« Harry kratzte sich am Nacken. »Hast du unter der Fußmatte nachgesehen?«
Halvorsen seufzte. »Nein, und das hab ich auch nicht vor.«
»Warum nicht?«
»Weil das ein neues Jahrtausend ist und man keine Schlüssel mehr unter Fußmatten legt. Ganz sicher nicht bei solchen Millionärshütten. Also, wenn du nicht mindestens einen Hunderter setzt, mache ich das nicht. O.K.?«
Harry nickte.
»Gut«, sagte Halvorsen und hockte sich hin, um sein Material wieder im Koffer zu verstauen.
»Ich meinte, dass das mit dem Hunderter in Ordnung geht«, sagte Harry.
Halvorsen blickte auf. »Du machst Witze.«
Harry schüttelte den Kopf.
Halvorsen griff an den Rand der grünen Kunststoffmatte.
»Come seven«, murmelte er und zog sie zur Seite. Drei Ameisen, zwei Asseln und ein Ohrenkneifer erwachten und flohen über die graue Mauer. Aber kein Schlüssel.
»Manchmal bist du unglaublich naiv, Harry«, sagte Halvorsen und streckte die Hand in seine Richtung aus. »Warum sollte er den Schlüssel da hintun?«
»Weil …«, sagte Harry, der die Hand nicht sah, weil sein Blick die schmiedeeiserne Lampe schräg über der Tür fixierte, »Milch sauer wird, wenn sie in der Sonne steht.« Er trat an die Lampe und begann die Deckelschrauben zu lösen.
»Wie meinst du das?«
»Die Lebensmittel wurden am Tag vor Albus Ankunft geliefert, nicht wahr? Sie wurden ins Haus gebracht, das heißt doch was.«
»Was denn? Vielleicht haben sie im Laden einen Zweitschlüssel.«
»Das glaube ich nicht. Ich glaube, Albu wollte sicher sein, dass nicht plötzlich jemand in die Hütte platzte, wenn er mit Anna hier war.« Er schob den Deckel beiseite und blickte in die Lampe. »Und jetzt glaube ich nicht nur bloß.«
Halvorsen zog murmelnd seine Hand zurück.
»Riech doch mal«, sagte Harry, als sie in die Hütte kamen.
»Neutralseife«, sagte Halvorsen. »Hier hat gerade erst jemand geputzt.«
Die schweren Landhaus-Möbel und der große Specksteinkamin verstärkten den Eindruck klassischer Osterferien. Harry ging zu einer Regalwand aus Kiefernholz am anderen Ende des Wohnzimmers hinüber. In den Fächern standen alte Bücher. Harry warf einen Blick auf die abgenutzten Rücken, hatte aber dennoch das Gefühl, dass sie niemals gelesen worden waren. Vielleicht hatte er sie en bloc in einem Antiquariat in Majorstua gekauft. Alte Alben. In den Schubladen lagen Zigarrenkisten aus Cohibar und Bolivar. Eine der Schubladen war verschlossen.
»Das war's dann mit der Sauberkeit«, sagte Halvorsen. Harry drehte sich um und bemerkte die nassen, braunen Fußspuren, die quer durch den Raum führten.
Sie zogen im Flur die Schuhe aus, holten einen Feudel aus der Küche und teilten sich auf, nachdem sie den Boden gewischt hatten. Halvorsen übernahm das Wohnzimmer, Harry die Schlafzimmer und das Bad.
Was Harry über das Durchsuchen wusste, hatte er an einem Freitagnachmittag in einem warmen Klassenzimmer der Polizeischule gelernt, als sie alle nur noch nach Hause wollten, um zu duschen, ehe sie abends wieder in die Stadt gingen. Es gab kein Lehrbuch, sondern einen Kommissar namens Røkke.
Und der hatte Harry an jenem Freitag den Tipp gegeben, an den der sich
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