Die Fährte
das Bild gezeigt hast, hat er begriffen, woher sie es hatte?«
»Natürlich. Die Reifenspuren dieses Cherokee an der Hütte sind die gleichen wie vorher. Sie beweisen, dass er noch vor ein paar Tagen, vielleicht sogar gestern in der Hütte gewesen ist.«
»Um die Hütte sauber zu machen und alle Fingerabdrücke zu beseitigen?«
»Und um seinen Verdacht zu überprüfen – dass ein Bild im Album fehlt. Und als er wieder zu Hause war, hat er das Negativ des Bildes herausgesucht und ist in einen Fotoladen gegangen.«
»Sicher so ein Ort, wo du die Fotos in einer Stunde abholen kannst. Und dann ist er heute zurück zur Hütte, um es an den alten Ort zu kleben.«
»Hm.«
Die Hinterräder des Lastwagens vor ihnen warfen einen Film öligen Spritzwassers auf die Windschutzscheibe und die Scheibenwischer arbeiteten frenetisch.
»Albu geht verflucht weit, um seine Eskapaden zu vertuschen«, sagte Halvorsen. »Aber glaubst du wirklich, dass er Anna umgebracht hat?«
Harry starrte auf die Aufschrift des Lastwagens vor ihnen. »AMOROMA – für immer dein.«
»Warum nicht?«
»Er kommt mir nicht gerade wie ein Mörder vor. Ein gebildeter Streber, ein solider Familienvater mit weißer Weste, der sich einen eigenen Betrieb aufgebaut hat.«
»Er ist untreu gewesen.«
»Wer ist das nicht?«
»Ja, wer ist das nicht«, wiederholte Harry langsam, ehe er plötzlich ärgerlich aufschnaubte: »Sollen wir eigentlich bis Oslo die Scheiße von diesem Lastwagen einsammeln?«
Halvorsen blickte in den Außenspiegel und fuhr auf die Überholspur. »Und was sollte sein Motiv sein?«
»Fragen wir doch mal«, sagte Harry.
»Wie meinst du das? Sollen wir zu ihm nach Hause fahren und fragen? Einräumen, dass wir uns auf unerlaubte Weise Beweise verschafft haben, und uns im gleichen Aufwasch auch noch die Kündigung einfangen?«
»Dir bleibt das erspart, ich mach das schon.«
»Und was willst du damit erreichen? Wenn herauskommt, dass wir ohne Durchsuchungsbefehl in die Hütte eingedrungen sind, wird es nicht einen Richter in diesem Land geben, der die Sache nicht gleich wieder fallen lässt.«
»Genau deshalb.«
»Deshalb … sorry, Harry, aber deine Rätsel fangen langsam an zu nerven.«
»Weil wir nichts haben, was wir vor Gericht verwenden können, müssen wir etwas provozieren, was wir gebrauchen können.«
»Dann sollten wir ihn lieber zum Verhör bitten, ihm einen Stuhl anbieten, einen Espresso kochen und das Tonband starten.«
»Nein, wir brauchen keine aufgezeichneten Lügengeschichten, solange wir das, was wir wissen, nicht als Beweise für diese Lügen verwenden können. Was wir brauchen, ist eine Alliierte. Eine, die ihn für uns entlarven kann.«
»Und das wäre?«
»Vigdis Albu.«
»Aha, und wieso …«
»Wenn Arne Albu untreu war, stehen die Chancen gut, dass sie die Informationen hat, die wir brauchen. Und wir wissen ein paar Sachen, die ihr behilflich sein könnten, noch mehr herauszufinden.«
Halvorsen klappte den Spiegel nach unten, um nicht von den Lampen des Lastwagens geblendet zu werden, der ihnen jetzt an der hinteren Stoßstange hing. »Bist du sicher, dass das klug ist, Harry?«
»Nein. Weißt du, was ein Anagramm ist?«
»Keine Ahnung.«
»Ein Buchstabenrätsel. Wörter, die man sowohl vorwärts als auch rückwärts lesen kann. Sieh dir mal im Spiegel den Lastwagen an. AMOROMA. Du bekommst das gleiche Resultat, egal wo du beginnst.«
Halvorsen wollte etwas sagen, ließ es aber sein und schüttelte bloß resignierend den Kopf.
»Fahr mich ins Schröder«, sagte Harry.
Die Luft stand vor Schweiß, Zigarettenqualm, dem Dunst nasser Regenklamotten und den lauten Bierbestellungen.
Beate Lønn saß an dem gleichen Tisch, an dem auch Aune gesessen hatte. Sie fiel auf wie ein Zebra in einem Kuhstall.
»Wartest du schon lange?«, fragte Harry.
»Nein«, log sie.
Vor ihr stand ein unberührtes und schon schal gewordenes Bier. Sie folgte seinem Blick und hob pflichtbewusst ihr Glas.
»Hier gibt es keine Verzehrpflicht«, sagte Harry und bekam Augenkontakt mit Maja. »Das scheint nur so.«
»Es schmeckt aber gar nicht schlecht.« Beate nahm einen winzigen Schluck. »Mein Vater sagte immer, trau niemandem, der kein Bier trinkt.«
Kaffeekanne und Tasse landeten vor Harry auf dem Tisch. Beate wurde tiefrot.
»Für gewöhnlich habe ich Bier getrunken«, sagte Harry. »Aber ich musste aufhören.«
Beate starrte aufs Tischtuch.
»Aber das ist auch das einzige Laster, das ich abgelegt habe«,
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