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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Schwierigkeiten auftun, benachrichtigen Sie mich umgehend. Guten Tag.«
    Beaulieu fasste kurz an die Krempe seines breiten weißen Strohhuts und verließ das Büro. Als er fort war, atmete Healey auf. Einige Sekunden wartete er noch, um seinem Vorgesetzten nicht vielleicht noch auf der Straße über den Weg zu laufen. Dann sprang er auf, griff im Laufen seinen Hut vom Kleiderhaken und stürzte aus der Tür.

8. Dezember
    Unter dem metallischen Rattern großer Zahnräder setzte sich die Maschinerie des Dampfkrans in Bewegung. Langsam und knarrend wand sich die mächtige Eisenkette um die mannshohe Winde, während ihr vom Kranausleger hinabreichendes anderes Ende Zoll um Zoll aus den Tiefen des Schiffsladeraums wieder ans Tageslicht gelangte.
    Den Abschluss der Kette bildete ein großer stählerner Haken, und an ihm hängend schwebte ein großes Netz aus armdicken Tauen vollbeladen aus der Ladeluke empor. Die sechs voluminösen Holzkisten, die auf diesem Wege aus dem Bauch des Schiffes ins Freie befördert wurden, stellten für den kraftstrotzenden Eisenbahnkran auf dem Quai keine Herausforderung dar. Scheinbar mühelos hob er die sperrige Fracht an und schwenkte sie herum, bis sie sich über festem Boden befand. Abermals ratterten die Zahnräder, die Holzkisten wurden sanft auf dem Pflaster abgesetzt. Hafenarbeiter machten sich sogleich daran, das Netz zu öffnen und die Ladung auf bereitstehende Fuhrwerke zu wuchten. Bei keinem von ihnen erweckten die Kisten, die den Aufschriften zufolge allesamt aus der
Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen Südhoff & Cie., Rheine in Westfalen
stammten, auch nur den geringsten Argwohn.
    In einiger Entfernung standen Charles Beaulieu und Wenzel von Kolowrath und verfolgten das Geschehen.
    »Ich habe die Ehre, Ihnen die zugesicherten zweihundert Gewehre mitsamt Munition übergeben zu dürfen«, verkündete Kolowrath. »Sie sehen, Österreich hält Wort.«
    »Es hält nicht nur Wort, sondern verliert auch keine Zeit«, stellte der Südstaatler voller Bewunderung fest. »Levi wird erfreut sein, dass die Ausrüstung seiner Truppe sichergestellt ist. Aber war es kein Wagnis, die Waffen auf einem preußischen Schiff hierher zu bringen, auch wenn auf diesem Wege eine Kontrolle durch die Yankee-Marine vermieden wurde?«
    »Oh nein!«, widersprach der Oberst. »Die
Prinzeß Elisabeth
mag unter preußischer Flagge fahren, sie gehört jedoch einer Scheinreederei des Evidenz-Büros. Ich möchte Sie aber bitten, dieses Wissen streng vertraulich zu behandeln.«
    »Kein Wort darüber gelangt je über meine Lippen«, versprach Beaulieu . »Ich lasse die Kisten in das Lagerhaus der Richmond-Handelsgesellschaft bringen und Wachen vor dem Eingang postieren.«
    Doch Kolowrath schüttelte den Kopf, noch ehe Beaulieu ganz zu Ende gesprochen hatte. »Davon rate ich ab. Wachen erregen nur unnötiges Aufsehen. Niemand darf auf den Gedanken kommen, es gäbe im Lagerhaus plötzlich etwas, das der Bewachung wert wäre.«
    »Sie haben natürlich recht, Oberst. Es muss uns daran gelegen sein, unauffällig zu bleiben. Doch da gäbe es noch eine andere Sache, der wir Aufmerksamkeit widmen müssen. Heute Abend treffen mit der Eisenbahn zweihundert Ballen Baumwolle aus Georgia ein.«
    Die Mitteilung konnte Kolowrath weder erkennbar überraschen noch in Besorgnis versetzen. Gelassen zog er sein Taschentuch hervor, nahm die Brille ab und begann die kleinen Rundgläser akribisch zu reinigen. »Die Lieferungen sollten erst nach Ankunft des Schiffes beginnen, damit wir die Baumwolle ohne lästige Zwischenlagerung unmittelbar an Bord bringen können. Traten Probleme auf?«, erkundigte er sich beiläufig.
    »Das Eisenbahnnetz des Südens ist in schlechter Kondition und durch den Krieg gänzlich überlastet«, legte Beaulieu dar. »Es stand gerade ein Zug zur Verfügung, und der Besitzer der Plantage wollte die unerwartete Gunst der Stunde nutzen, um seine Scheunen zu leeren. Dadurch verstieß er gegen die getroffenen Abmachungen.«
    Kolowrath prüfte die Brille auf eventuell zurückgebliebene Verunreinigungen und setzte sie wieder auf. »Ich kann es ihm nicht verdenken. Lassen Sie die Ballen nach Eintreffen vorläufig im Lagerhaus unterbringen. Doch dass sich mir dergleichen nicht wiederholt. Wenn solche Eigenmächtigkeiten einreißen, könnte das resultierende Chaos unseren gesamten Plan zu Fall bringen. Tragen Sie Sorge dafür, dass es ein Einzelfall bleibt.«
    An Ermahnungen nicht gewöhnt, musste Beaulieu seinen Unmut

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