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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Leere eingefroren. Nur seine Augen verrieten, dass Hendricks Emotionen besaß. Sie glommen finster und kündeten von einem nie stillbaren Hass. Sein Blick alleine hätte ausgereicht, die meisten Männer das Fürchten zu lehren.
    Beaulieu und Weaver flankierten Augustus Hendricks, als der verunsichert und nervös wirkende Kapitän Paton ihm das Kommando über die
Great Eastern
übergab, indem er ihm das Logbuch aushändigte. Wortlos nahm der Captain das Buch entgegen.
    Als die Formalitäten vollzogen waren, räusperte Beaulieu sich und wandte sich an Paton: »Ich darf nochmals der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie diesen Schritt nicht als persönliche Kränkung auffassen. In der Entscheidung, uns von Ihnen zu trennen, wurden wir einzig von Erwägungen gewissermaßen politischer Natur gelenkt.«
    »Sir, es steht mir nicht zu, Kritik an den Beschlüssen der Reederei zu üben«, entgegnete Paton. »Dennoch muss ich arge Bedenken äußern. Dieses Schiff ist äußerst schwierig zu führen, schwieriger als jedes andere auf den Weltmeeren.«
    »Nun, Ihnen verbleibt bis zu Ihrer Heimreise nach England ja noch fast eine Woche, Captain Hendricks mit den Gegebenheiten vertraut zu machen.«
    »Sir! Bei allem Respekt, aber das ist unmöglich. Ich selbst habe Monate benötigt, bis ich die
Great Eastern
auch nur annähernd beherrschte«, wandte Paton entschieden ein.
    Hendricks richtete einen strafenden Blick auf den Kapitän, der sogleich unwillkürlich zusammenzuckte, und entgegnete schneidend: »Ich bin nicht Sie.«
    Der eingeschüchterte Paton erschauderte und wagte keinen Einwand. Mit dieser Reaktion war Beaulieu äußerst zufrieden, sie enthob ihn der Notwendigkeit langatmiger, nutzloser weiterer Diskussionen. »Sprechen wir über andere Dinge, mein Verehrtester«, sagte er gönnerhaft lächelnd. »Es gilt ja auch noch, Einvernehmen über die Höhe Ihrer Abschiedsdotation zu erzielen.«
    Froh darüber, nicht länger dem furchterregenden Hendricks gegenüberstehen zu müssen, ließ Paton die Mannschaft wegtreten und begab sich mit Beaulieu unter Deck, während Weaver sich des Captains annahm, um ihn ein wenig umherzuführen.
    »Nun, welchen ersten Eindruck haben Sie von Ihrem neuen Schiff?«, erkundigte sich der Verleger, als sie das Deck entlangschritten.
    »Ein Albtraum. Kaum zu bändigen. Unter normalen Umständen würde ich keinen Fuß an Bord dieses Ungeheuers setzen. Nur für die Sache des Südens nehme ich es auf mich«, lautete Hendricks’ harsches Urteil. Bei jedem Satz entwich mit einem leisen Pfeifen Atem durch seinen offen stehenden Mundwinkel.
    »Und für die Rache an den Yankees, darf ich vermuten?«
    »Ja, für die Rache an dieser Rasse von Hurensöhnen. Ich lasse sie zahlen, blutig«, kündigte er so empfindungslos an, als diktierte er eine Einkaufsliste.
    »Das ist nur recht und billig«, pflichtete Weaver ihm bei. »Dabei fällt mir ein, dass ich Sie um eine Gefälligkeit bitten möchte. Es geht um den Arzt, den wir für Ihr Wohlergehen engagiert haben.«
    Hendricks blieb stehen und stützte sich mit dem rechten Arm am Rand eines Oberlicht ab. »Was ist mit ihm?«
    Da Weaver nicht sicher sein konnte, wie sein ziemlich gewagtes Anliegen aufgenommen würde, wählte er seine Worte äußerst umsichtig, um sich den Weg für einen Rückzieher offenzuhalten. »Nun, sehen Sie«, begann er, sich fast silbenweise vorantastend, »ich erachte es für einigermaßen wünschenswert, dass Doktor Täubrich nicht von der Fahrt zurückkehrt.«
    Hendricks reagierte zunächst überhaupt nicht, so dass Weaver schon einen Anflug von Panik verspürte und sich bereitmachte, einen misslungenen Scherz vorzutäuschen. Doch dann verzog der Captain seinen verstümmelten Mund zu etwas, das entfernt einem Grinsen ähnelte.
    »Der preußische Wurstfresser ist praktisch schon tot, Mr. Weaver«, sagte Hendricks.
     
    Wenzel von Kolowrath spähte durch das Fernglas. Er fiel nicht auf, denn allein in seiner nächsten Umgebung befanden sich Dutzende weiterer Menschen auf der Uferpromenade und bestaunten gleichfalls die
Great Eastern.
Obgleich sich das übersteigerte Interesse der ersten Tage mittlerweile gelegt hatte und keine Menschenmassen mehr an die Bucht pilgerten, gab es noch immer zahlreiche Neugierige, die mit Fernrohren, Operngläsern oder auch bloßen Augen das Wunder der Weltmeere betrachten wollten.
    Eitle Schaulust war es natürlich nicht, die Oberst Kolowrath veranlasst hatte, sich an diesem sonnigklaren Vormittag an die

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