Die Fahrt des Leviathan
wirklichen Informationen preiszugeben.
Sollte er Verdacht geschöpft haben?,
grübelte der Oberst.
Ist er mir vielleicht sogar auf die Spur gekommen und wartet nur auf den idealen Moment, um einen österreichischen Spion als Trophäe zur Strecke zu bringen?
Kolowraths Unschlüssigkeit währte aber nur einen Moment. Dann gelangte er zu der Überzeugung, dass Major Pfeyfer überhaupt nicht in der Lage war, an einem Mann zu zweifeln, der sich mit einer vom Kriegsminister in höchsteigener Person ausgefertigten Vollmacht auszuweisen vermochte. Die Gedankenwelt der fest im Glauben an die militärische Hierarchie verwurzelten preußischen Offiziere seines Schlages war Kolowrath vertraut. Pfeyfers Geist fehlte die Möglichkeit, Befehlen zuwiderzuhandeln. Und wenn seine Berichte wenig aussagten, dann sicherlich nur, weil sich tatsächlich nichts Substantielles zutrug.
Ein letztes Mal schaute Kolowrath zu der draußen in der Bucht liegenden
Leviathan.
Dann setzte er seinen Weg fort. Es gab einiges zu erledigen, das keinen Aufschub duldete.
28. Dezember
»Und Sie sind sich in dieser Hinsicht wirklich gewiss?«, fragte Pfeyfer. Er versuchte, seine Vorbehalte nicht zu deutlich durchklingen zu lassen.
»Jawohl, Herr Major«, bestätigte Hopmann prompt. »Ein Irrtum ist ganz unmöglich.«
Pfeyfer betrachtete den mausgesichtigen Zivilisten, der mit dem Hut in Händen vor seinem Schreibtisch strammstand. Der unscheinbare Apotheker im karierten Anzug gab mit seiner fast karikaturhaft bemühten militärischen Haltung eine tragikomische Figur ab. Pfeyfer dankte dem Herrgott dafür, dass er nicht zum Lachen neigte und daher auch nicht in Versuchung geriet, seinen Besucher vor den Kopf zu stoßen.
»Salpeter, Phosphor und Sodium also? Schon vor Weihnachten?«, fasste er Hopmanns Angaben bündig zusammen.
»Bitte den Herrn Major um Vergebung, dass ich nicht früher Meldung gemacht habe. Ich war über die Festtage abwesend. Mein Gehilfe führte in dieser Zeit die Apotheke und er erkannte die Bedeutung der Chemikalien nicht«, führte Hopmann zu seiner Verteidigung an. »Ich habe natürlich unverzüglich gehandelt, als ich heute von dieser Bestellung Kenntnis erhielt.«
»Höchst lobenswert«, sagte Pfeyfer. Tatsächlich aber war er unschlüssig, ob es überhaupt Anlass zum Lob gab oder alles nur heiße Luft war.
Der Apotheker schwor Stein und Bein, dass es sich bei den georderten Chemikalien eindeutig um Ingredienzen zur Herstellung äußerst gefährlicher Gemische handelte, mit denen sich bei entsprechender Anwendung nahezu unlöschbare Brände entfachen ließen. Was er von diesem Verdacht halten sollte, wusste Major Pfeyfer nicht so recht. Hopmann war für ihn kein Unbekannter; der Apotheker hatte vor Jahren als Einjährig-Freiwilliger unter seinem Kommando gedient und war schon damals als etwas überspannter Charakter aufgefallen, dessen ungezügelte Einbildungskraft sich auf mannigfaltige Weise und zumeist mit unangenehmen Resultaten geäußert hatte. Und die Vorstellung, irgendwer könnte eine solche Teufelsmixtur zusammenbrauen wollen, erschien dem Major doch allzu phantastisch. Auch wenn sich die Differenzen zwischen den auseinanderdriftenden Teilen der Bevölkerung immer öfter in gewalttätigen Zusammenstößen entluden, bei denen Fäuste und Knüppel zum Einsatz kamen, hielt Pfeyfer es für ausgeschlossen, dass eine der Seiten Brandsätze verwenden würde. Oder war es vielleicht doch nicht gänzlich ausgeschlossen? Pfeyfer kamen Bedenken. So vieles, das ihm früher undenkbar schien, war inzwischen geschehen. Konnte es da nicht auch möglich sein, dass eine kleine Schar Fanatiker, gleich welcher Couleur, jeder Moral endgültig abgeschworen hatte und schreckliche Untaten vorbereitete?
»Wohin wurden die Chemikalien geliefert?«, wollte er wissen.
»An einen John Dough«, gab Hopmann unverzüglich Auskunft, »zum Haus der ehemaligen Fähre am Alten Hafen, Herr Major.«
»Ich werde veranlassen, dass man der Angelegenheit nachgeht. Haben Sie Dank für diesen Hinweis«, beschied Pfeyfer dem Apotheker.
Hopmann versicherte, dass es ihm Pflicht und Bedürfnis gewesen sei, schlug die Hacken zusammen und verließ das Dienstzimmer. Beim Hinausgehen stieß er in der Tür um ein Haar mit Leutnant FliegenderSchwarzer-Adler zusammen, der mit einem hohen Stoß gebündelter Papiere zurückkehrte.
»Die Personalakten für die anstehenden Beförderungsempfehlungen, Herr Major«, meldete er. »Wünschen Sie die Unterlagen sofort
Weitere Kostenlose Bücher