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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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ins Leben gerufen worden, um diesen gefährlichen Umtrieben entgegenzutreten. Aber obwohl Pfeyfer als Kommandeur des Detachements auch alle Polizeikräfte der Provinz unterstanden, schien es ihm, als würde er gegen ein Phantom fechten. Es gelang ihm allen Bemühungen zum Trotz einfach nicht, die führenden Köpfe in Karolina aufzuspüren, und die Drahtzieher jenseits der Grenze waren für ihn unerreichbar. Widerwillig musste er sich damit begnügen, die Handlanger der Feinde zu bekämpfen, was bereits schwierig genug war.
    Der geheimnisvolle Verfasser der Briefe hatte sich in diesem Kampf als wertvoller Informant erwiesen. Pfeyfer wusste nicht, wer ihm die Hinweise schickte oder welche Beweggründe der Unbekannte hatte. Aber ihm war klar, dass dieser Mann das volle Vertrauen der antipreußischen Verschwörer besaß. Er war offensichtlich an allen wichtigen Planungen beteiligt und ging mit seinen Warnungen ein großes persönliches Risiko ein. Hätte man sein Doppelspiel entdeckt, wäre er ohne Zweifel ein toter Mann gewesen. Das hatte Pfeyfer deutlich erkannt, und daher unternahm er auch keinen Versuch, die Identität des Namenlosen festzustellen. Er wollte seinen anonymen Verbündeten nicht noch zusätzlich in Gefahr bringen.
    Heinze öffnete eine Schublade und zog ein kleines gedrucktes Heft heraus, nicht größer als eine Hand und nur wenige Seiten stark. »Der Hinweis stimmte – wie immer«, berichtete er, stand von seinem Tisch auf und ging zu Pfeyfer hinüber. »Wie du angeordnet hattest, patrouillierten Gendarmen an der Grenze zu North Carolina im Landkreis Loris. Und Sonntagnacht erwischten sie drei Kerle, die das hier einschmuggeln wollten. Und zwar zweitausend Exemplare.« Er reichte dem Major das Heft.
    Pfeyfer betrachtete das auf schlechtem Papier gedruckte Pamphlet. Schon der Titel auf dem Umschlag erfüllte ihn mit Abscheu:
Karolinas Elend und Abhülfe durch Secession von Preussen.
    Angewidert blätterte er die Seiten durch. Die ignoranten Amerikaner, so stellte er fest, waren nicht einmal in der Lage, das lange und das runde S der Frakturschrift richtig zu verwenden. Doch das machte die Agitation keinen Deut weniger gefährlich. Die Demagogen behandelten in der Schrift eines ihrer bevorzugten Themen, die Weigerung Preußens, die Konföderation als souveränen Staat anzuerkennen. Ein Wort des Königs, so wurde suggeriert, und die Baumwolle könnte wieder wie zuvor nach Karolina strömen, und mit ihr würden Arbeit und Wohlstand zurückkehren. Doch da dieses Wort ausblieb, müssten die Bewohner Karolinas sich entscheiden, ob sie lieber verhungern oder sich den Konföderierten Staaten anschließen wollten.
    Aufgebracht schleuderte Pfeyfer das Heft in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers. »Hätte das ein Preuße geschrieben, würde ich ihn auf der Stelle wegen Hochverrats arretieren lassen!«
    Er sprang auf und stampfte mit großen Schritten im Raum auf und nieder, wobei er zornig die Fäuste ballte. »Zweitausend Exemplare! Die hätten diese drei Leute bestimmt nicht selbst hier verteilt. Wem sollten sie die Lieferung übergeben?«
    Heinze zuckte mit den Schultern. »Das haben wir nicht herausbekommen. Die Männer behaupten, bezahlte Schmuggler zu sein, und wollen vom Inhalt der Kisten nichts gewusst haben. Sie sollten die Ladung in einer nahen Scheune unterstellen und dann wieder verschwinden. Aber das kaufe ich ihnen nicht ab. Ich habe die Scheune beobachten lassen, es ist niemand aufgetaucht.«
    »Die haben Wind bekommen«, knurrte Pfeyfer. »So ein verfluchter Mist! Nie bekommen wir einen der hiesigen Mitwisser zu fassen!«
    »Immerhin haben wir sie dank unseres anonymen Helfers einmal mehr daran hindern können, ihr Gift zu verspritzen. Das ist doch schon mal was, Willi.«
    Der Major blieb am Fenster stehen und blickte hinunter auf den Prinzenplatz, wo die reich dekorierten Ehrentore nun vollendet waren und Arbeiter die Leitern und Gerüste fortschafften. »Ja, wir waren nicht erfolglos«, meinte er.
Aber auch nicht erfolgreich,
führte er den Satz in Gedanken fort.
    Für einen Moment war ihm düster zumute.
Ich muss einen Weg finden, die Bedrohung von innen wirklich zu beseitigen. Ich muss die Verräter enttarnen, ich muss ihrer habhaft werden,
ging es ihm durch den Kopf.
Und wenn mir das nicht gelingt, sind alle Etappensiege verschenkt und verdammt nutzlos. Dann können diese beschissenen Schweinehunde ihr Spiel immer weitertreiben. So lange, bis sie wirklich einige schwache Charaktere

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