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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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der Kellner die Order auf und entfernte sich. Er war kaum fort, da trat ein Mann in schwarzem Gehrock an den Tisch und nahm seinen hohen Zylinder ab.
    »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Herr Major Pfeyfer«, sagte der Fremde.
    »Guten Tag, Herr …« Pfeyfer versuchte, die schmächtige Gestalt mit dem kargen Schnurrbart und der dicken Brille mit irgendeiner ihm bekannten Person in Verbindung zu bringen. Doch er vermochte sich einfach an niemanden dieses Aussehens zu erinnern, was ihm sehr unangenehm war. »Verzeihen Sie bitte vielmals«, bat er, »ich fürchte, Ihr geschätzter Name ist mir entfallen.«
    »Es gibt keinen Grund für eine Entschuldigung, Herr Major, da wir uns noch nie zuvor begegnet sind. Sie gestatten, dass ich mich setze.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ohne Pfeyfers Reaktion abzuwarten, ließ sich der Unbekannte auf dem gegenüber befindlichen Stuhl nieder.
    »Für gewöhnlich pflege ich meine Tischgenossen selbst auszuwählen«, versetzte Pfeyfer scharf und darum bemüht, angesichts dieser Impertinenz die Beherrschung zu wahren. »Ich darf Sie bitten, sich zu entfernen.«
    Der Fremde ließ sich nicht beeindrucken, sondern legte in aller Ruhe den Hut beiseite, nahm die ledergebundene Menükarte an sich und schlug sie auf. »Gewiss dürfen Sie das«, antwortete er unbeeindruckt. »Aber erst habe ich mit Ihnen ein dienstliches Gespräch zu führen. Mein Name ist Krüger. Polizeidirektor Krüger von der höheren Polizei in Berlin. Himmel, was für eine armselige Getränkeauswahl!«
    Pfeyfer wurde hellhörig. »Von der höheren Polizei?«, fragte er misstrauisch nach. Er hatte es demnach mit einem Geheimpolizisten zu tun. Einem jener Männer, die er verachtete, weil sie wie Diebe im Verborgenen agierten, bespitzelten und sich maskierten, logen und täuschten, statt ehrenhaft mit offenem Visier zu handeln. Dass er von einem solchen Menschen kein anständiges Benehmen erwarten durfte, war ihm klar.
    »Sie haben ganz recht gehört«, bestätigte Krüger und winkte einen Kellner heran. »Man sagte mir, ich würde Sie hier antreffen. Wir haben eine Angelegenheit von größter Tragweite zu besprechen.«
    »Und warum suchen Sie mich dazu nicht einfach in meinen Diensträumen auf, wenn ich fragen dürfte?«
    »Weil meiner Erfahrung nach ein Gespräch an einem öffentlichen Ort wie diesem der Geheimhaltung zuträglich ist. Nirgendwo ist man so sicher vor unerwünschten Lauschern wie inmitten vieler Menschen.« Krüger wandte sich an den herantretenden Kellner und bestellte sich ein Wasser, wobei er ausdrücklich ein sauberes Glas verlangte. Sobald der Kellner wieder außer Hörweite war, sprach der Geheimpolizist weiter: »Reden wir nun davon, aus welchem Grunde ich eine vertrauliche Unterredung mit Ihnen suche.«
    »Sicher. Vorausgesetzt, Sie können sich legitimieren«, erwiderte Pfeyfer distanziert.
    Auf dieses Ansinnen war Krüger offenbar vorbereitet gewesen. Er griff in die Innentasche seines Gehrocks und holte ein gefaltetes Schriftstück hervor, das er dem Major reichte.
    »Meine Beglaubigung. Wie Sie daraus unschwer ersehen werden, bin ich im unmittelbaren Auftrag des Herrn Ministerpräsidenten von Bismarck hier.«
    »Bismarck?«, wiederholte Pfeyfer verwundert, bevor ihm einfiel, dass ja ein Mann dieses Namens seit einem Monat den undankbaren Posten des Regierungschefs bekleidete. Er öffnete das Dokument und nahm zunächst Siegel und Unterschrift in Augenschein, ehe er den Text las. Den knapp gefassten Zeilen zufolge hatte Herr von Bismarck den Polizeidirektor Krüger zur Erledigung nicht näher erläuterter besonderer Aufgaben nach Karolina entsandt und wünschte, dass Major Wilhelm Pfeyfer ihm dabei jegliche Unterstützung zukommen ließ.
    »Nun gut, Sie sind derjenige, der Sie zu sein behaupten«, erkannte Pfeyfer widerwillig an und gab Krüger das Schriftstück zurück. »Doch zu meinem Bedauern ist es mir unmöglich, der Bitte des Herrn Ministerpräsidenten zu entsprechen. Als Offizier nehme ich keinerlei Weisungen von Zivilisten entgegen. Die Regierung hat dem Militär keine Anordnungen zu erteilen. Befehle erhalte ich ausschließlich von meinen militärischen Vorgesetzten«, belehrte er Krüger schroff, in der festen Überzeugung, den unwillkommenen Gast damit schnell loszuwerden.
    Doch zu seinem Befremden trat Krüger keineswegs kleinlaut den Rückzug an, sondern gab sich unverändert dreist. »Das ist mir bewusst, Herr Major. Wenn Sie einen Blick hierauf werfen

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