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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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zwischen dem Norden und dem Süden entlang. »Aber gewiss doch«, sagte er. »Ich bin hier, weil Sie in Verbindung mit Richmond stehen. Mir ist durchaus bewusst, dass diese Firma eine Einrichtung des konföderierten Außenministeriums ist. Ich wünsche durch Sie in Kontakt mit Ihrer Regierung zu treten.«
    Eine ungute Ahnung beschlich Healey, dass die Angelegenheit unangenehm für ihn werden konnte, wenn er nun falsch oder unüberlegt handelte. Umsicht war ratsam, wollte er sich nach den Misshelligkeiten der letzten Zeit nicht noch weitere Schwierigkeiten einhandeln. Auf keinen Fall konnte er aufgrund bloßer Behauptungen eines Fremden seine Vorgesetzten behelligen.
    »Ich nehme doch an, dass Sie sich durch Papiere legitimieren können?«, erkundigte sich der Amerikaner skeptisch.
    Jetzt erst wandte sich Kolowrath wieder von der Karte ab und trat zurück an den Tisch. »Ich bitte Sie!«, erwiderte er vorwurfsvoll. »Wie leichtsinnig müsste ich sein, Papiere mit mir zu führen, aus denen meine tatsächliche Identität hervorgeht. Aber Ihre Zweifel an meinen Worten sind natürlich berechtigt. Vielleicht überzeugt Sie dies von der Aufrichtigkeit meiner Absichten.«
    Der Österreicher griff in die Innentasche seines Gehrocks und zog einen schweren Lederbeutel hervor, den er auf dem Tisch entleerte. Ein Schwall blinkender Goldmünzen prasselte klirrend auf das Holz. Healey konnte kaum glauben, was er sah.
    »Fünfhundert Dukaten«, kommentierte Kolowrath gelassen und legte den Beutel neben den glitzernden Geldhaufen. »Eine bescheidene Spende des Kaisertums Österreich an die Konföderierten Staaten von Amerika, als Zeichen der Wertschätzung und in Erwartung gedeihlicher Zusammenarbeit.«
    Gefangen vom Anblick des Vermögens, das funkelnd vor seinen Augen ausgebreitet lag, wusste Healey einige Sekunden nicht, was er sagen sollte. Es dauerte ein wenig, bis er sich wieder fasste und fragend auf Kolowrath blickte. »Was verlangen Sie?«
    Der Oberst schob eine bedenklich nah an den Rand des Tisches gerollte Goldmünze näher zum Haufen. »Sie werden die Güte haben, heute noch eine chiffrierte telegraphische Nachricht nach Richmond abzusetzen. Ihre Regierung soll einen bevollmächtigten Vertreter entsenden, mit dem ich alles Weitere erörtern kann.«
    »Aber wenn man Ihrem Ansinnen nicht entspricht?«
    Der nachsichtige Gesichtsausdruck Kolowraths sprach Bände, noch ehe eine Silbe über seine Lippen kam. Er bemitleidete ganz eindeutig Healey für dessen unbegründete Zweifel. »Das wird nicht geschehen«, befand er mit aller Selbstverständlichkeit. »Erwähnen Sie ganz einfach nur, dass hier der Mann wartet, der den Südstaaten den Sieg verschaffen kann.«
    Kolowrath setzte den Zylinder wieder auf und wandte sich zum Gehen.
    »Warten Sie!«, versuchte Healey ihn zurückzuhalten. »Wie kann ich Sie überhaupt benachrichtigen, wenn eine Antwort eintrifft?«
    »Bemühen Sie sich nicht. Ich komme in drei Tagen wieder zu Ihnen. Habe die Ehre!«, beschied ihn der Österreicher, ohne sich noch einmal umzudrehen, und verließ das Büro.
    Ratlos fuhr Healey sich mit den Fingern durch die Haare. Es war eigentlich nicht seine Art, sich Sorgen zu machen, da ihm ohnehin fast alles gleichgültig war. Doch diese Begegnung hatte ihn erheblich irritiert zurückgelassen.
    Er glaubte nicht an Vorahnungen. Doch nun hatte er eine. Und sie war nicht gut.
     
    * * *
     
    Niemand hätte bestreiten können, dass sich das Gebäude des Verlagshauses Weaver imposant ausnahm. Der zweistöckige Bau erstreckte sich über einen halben Block der Burggrafenstraße, die er mit seiner schneeweißen Fassade unangefochten dominierte. Doch es handelte sich um weit mehr als ein simples Geschäftshaus, mit dem eine Firma selbstbewusst ihren Erfolg zur Schau stellte. Dieses Bauwerk war eine steingewordene politische Aussage von provokanter Offenheit.
    George Weaver senior hatte sich fünfundvierzig Jahre zuvor bewusst entschieden, sein Verlagsgebäude im eleganten palladianischen Stil errichten zu lassen, der damals im Süden der Vereinigten Staaten für repräsentative Bauten bevorzugt wurde, während der gesamte Rest der Stadt nach der Zerstörung durch die Franzosen im strengen Klassizismus preußischer Prägung neu erstanden war. Auf diese Weise hatte der Verleger aller Welt zu verstehen gegeben, wo seine Sympathien lagen.
    Pfeyfer war über den Symbolgehalt des Gebäudes schon lange im Bilde. Allerdings wäre ihm nichts davon je aufgefallen, hätten es ihm

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