Die Fahrt des Leviathan
zunächst darum, seinen Kontrahenten überhaupt zu Antworten zu nötigen.
»Ganz recht«, bestätigte Weaver und faltete seine fleischigen weißen Hände vor sich auf dem Tisch. »In den letzten Monaten allerdings war es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten bestellt. Er zog es vor, mir diese Aufgaben zu überlassen, und suchte Entspannung.«
Pfeyfer fixierte Weaver, indem er ihm direkt in die kalten blauen Augen blickte. »Hoffte er etwa, in diesem Lagerhaus Entspannung zu finden?«
»Ich denke zwar nicht, dass Sie das etwas angeht«, entgegnete der Verleger, ohne dem Blick des Offiziers auszuweichen, »doch meinethalben sollen Sie es erfahren. Er hatte sich vorgenommen, eine besonders zuverlässige und leicht handhabbare Druckerpresse zu konstruieren. Um in Ruhe arbeiten zu können, hatte er einen ungenutzten Teil des Lagerhauses von der Richmond-Handelsgesellschaft angemietet. Nahezu jeden Abend zog er sich dorthin zurück und baute in aller Abgeschiedenheit stundenlang an seiner Erfindung.«
»Und welchen Umgang pflegte ihr Bruder?«
Weavers Pupillen verengten sich zu winzigen schwarzen Punkten. »Schluss mit diesem Verhör! Sie können keine Ermittlungen gegen einen Toten führen, also haben Sie auch kein Recht, mich auszufragen. Dass ich Sie überhaupt empfangen habe, war reine Freundlichkeit.«
Du würdest mir keine Freundlichkeit erweisen, auch wenn dein Leben davon abhinge,
dachte Pfeyfer voller Verachtung.
Er wusste nur zu genau, was für eine Qual es für Weaver sein musste, einen Schwarzen in seinem Büro zu sehen, dazu noch einen, der die verhasste preußische Herrschaft verkörperte. Für Pfeyfer stand fest, dass Weaver ihn nur aus einem einzigen Grund in diesem Raum duldete – weil er herauszufinden hoffte, was die Behörden bereits über die antipreußischen Machenschaften seines Bruders und somit seine eigenen Verstrickungen darin wussten.
Doch Pfeyfer, der diese Absicht deutlich erkannte, ließ sich kein Wort entlocken.
»Im Übrigen ist es skandalös, dass Sie die sterbliche Hülle meines Bruders ohne Einverständnis seiner Angehörigen für eine entwürdigende Autopsie beiseiteschaffen ließen«, empörte sich Weaver.
»Ich benötige dafür keinerlei Einverständnis«, belehrte ihn Pfeyfer. »Als Chef des Militär-Sicherheits-Detachements habe ich jegliche polizeiliche Vollmacht. Dazu zählt das Recht, Leichenschauen nach meinem Dafürhalten anzuordnen. Man wird Ihnen den Leichnam heute noch übergeben, Sie erhalten Nachricht.«
Mühsam beherrscht atmete Weaver mit einem schweren Schnaufen durch die Nase ein. »Jesus Christ and all saints! Sie gefallen sich wohl sehr in Ihrer Überlegenheit, die Ihnen von Ihrem König verliehen wurde, nicht wahr? Doch ich sollte dankbar sein – Leute wie Sie sind es, die mir durch ihr Verhalten unermüdlich Material liefern, um meinen Lesern stets aufs Neue vor Augen zu führen, welche Verhältnisse hier herrschen.«
»Wenn es nach mir ginge, Herr Weaver, dann wäre dieser Verlag längst geschlossen worden, damit Sie nicht mehr Ihre Lügen und Verleumdungen in die Köpfe der Menschen pflanzen können«, erwiderte Pfeyfer verächtlich.
Weaver lehnte sich zurück und grinste. »Es geht aber nicht nach Ihnen. Dies ist halt nicht Mainland Prussia, wo der Staat unliebsamen Zeitungen kurzerhand einen Maulkorb anlegen kann. Hier gelten ja ironischerweise Regeln der Pressefreiheit, die Ihr ach so hochgeschätzter Prinz Heinrich selbst festgeschrieben hat und die daher unantastbar sind.«
Nun war es Pfeyfer, der um Fassung rang. Es erzürnte ihn, dass sich die Feinde Preußens hinter den Gesetzen des Staates verschanzen konnten, den sie bekämpften. Niemals, davon war er überzeugt, hätte Prinz Heinrich vor achtzig Jahren Karolina all diese Sonderrechte geschenkt, wenn er geahnt hätte, wie man diese großmütigen Geschenke eines Tages missbrauchen würde.
Der Major unterdrückte seine plötzlich aufkochende Wut, konnte sich aber nicht völlig zurückhalten. »Ich denke, Ihre Vorfahren und die aller anderen, die heute Unfrieden stiften, hätten nach dem Erwerb Karolinas durch Preußen einfach fortgehen sollen. Dann würden Leute wie Sie uns heute nicht mit ihrer zerstörerischen Boshaftigkeit zur Last fallen«, meinte er.
»Fortgehen?« Weaver lachte zynisch auf. »Unsere Vorfahren hätten also fortgehen sollen? Nachdem die preußischen Besatzer sie zu Staatsfeinden erklärt und Ihnen fast alles genommen hatten: ihre Plantagen, ihre Anwesen, ihre Neger?
Weitere Kostenlose Bücher