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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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nicht auf diesem Gebiet besser bewanderte Mitmenschen erklärt. Die Feinheiten der Architektur erschlossen sich ihm nicht, eine kunstvoll gestaltete Fassade sah für ihn wie die andere aus. Aber allein die Tatsache, dass die Weavers durch die Form von Fenstern und Säulen beständig ihrer Ablehnung der Zugehörigkeit Karolinas zu Preußen Ausdruck verliehen, brachte ihn gegen diese Leute auf.
    Abschätzig ließ er den Blick die prächtige Fassade entlangwandern. Noch einmal zog er die Uniform zurecht, um in demonstrativer Perfektion vor Jeremiah Weaver zu treten. Dann schritt er die Stufen zum Eingangsportal empor.
     
    »Ich nehme an, Sie sind nicht gekommen, um Ihr Bedauern darüber zu bekunden, dass mein Bruder von einem Ihrer Offiziere ermordet wurde«, sagte Weaver schneidend.
    Nur die Augenpartie verriet, dass der Mann hinter dem glänzenden Mahagonischreibtisch mit dem Toten aus dem Lagerhaus verwandt war. Von gewaltiger, wuchtiger Statur und mit einem wallenden Schopf dunkelblonder Haare auf dem massigen Kopf unterschied Jeremiah Weaver sich im Aussehen von seinem verstorbenen Bruder wie die Nacht vom Tag. Obwohl er sich zu beherrschen verstand, verriet sein rötlich verfärbtes Gesicht, wie aufgewühlt er war. Am Revers trug er eine schwarze Seidenschleife als Trauerflor.
    Pfeyfer erinnerte sich vage an einen Vers aus Shakespeares
Julius Caesar,
in dem Cäsar kundtat, sich vorzugsweise mit dicken Männern zu umgeben, da solche Menschen ihrer Trägheit wegen stets ungefährlich wären.
    Doch darauf durfte man sich nicht verlassen. Jeremiah Weaver war alles andere als ungefährlich.
    »Sie befinden sich im Irrtum, Herr Weaver«, gab Pfeyfer zu verstehen. »Ihr Bruder wurde keinesfalls ermordet. Vielmehr gab er einen Schuss ab, ehe er seine zweifelsfrei sofort tödliche Verletzung erlitt. Somit feuerte er eindeutig vor dem Hauptmann, der sich daraufhin nur zur Wehr setzte. Von einem Mord kann keine Rede sein, zumindest nicht, soweit es den Tod Ihres Bruders betrifft.«
    Mit großem Bedacht achtete Pfeyfer darauf, seine Karten nicht unnötig offenzulegen. Weaver brauchte nicht zu wissen, dass die Obduktion zwingend die Anwesenheit eines dritten Mannes nachgewiesen hatte. Falls er in die Planung des Anschlags auf Heinze eingeweiht gewesen war, konnte es Pfeyfer nur recht sein, ihn glauben zu machen, die Behörden hätten keine Ahnung von dem wirklichen Ablauf der Dinge und wären unfähig. Arroganz verleitete oft zu unbedachten Äußerungen.
    Weaver wischte Pfeyfers Einwände mit einer unduldsamen Geste beiseite. »Sie haben Ihre Version, ich habe meine. Und im
Carolina Crescent
wird meine Version stehen. Folglich auch in allen Zeitungen des Südens von Virginia bis Texas. Wem, denken Sie, wird man dort eher Glauben schenken?«
    »Diese Frage habe ich mir nicht zu stellen.« Der Major versuchte ruhig zu bleiben, doch das war in Gegenwart Weavers eine Herausforderung. Alles an diesem Mann war verabscheuungswürdig. Seine Ansichten, aus denen er keinen Hehl machte, manifestierten sich im Dekor des Büros, das nicht nur von einer großen Flagge der Konföderation mit dem sternenbesetzten blauen Andreaskreuz auf rotem Grund geschmückt wurde. An den Wänden hingen zudem Gemälde, die Pfeyfer als Schmähung von allem begriff, was ihm heilig war. Da wurde in einer Allegorie ein schwarzer Adler von einem Weißkopfadler zu Tode gehackt, ein anderes Bild zeigte die demütigende kampflose Kapitulation der Garnison Friedrichsburgs vor dem französischen General Delatombe im Jahre 1807. Am widerwärtigsten aber, schlimmer noch als die Landkarte, auf der Karolina als Teil der Konföderation unter seinem alten Namen South Carolina gezeigt wurde, war zweifellos eine großformatige Darstellung von unglaublicher Niedertracht. Vor der Silhouette Friedrichsburgs, über dem konföderierte Fahnen flatterten, wurden Neger mit Halseisen und Ketten von peitschenschwingenden Aufsehern zur Feldarbeit getrieben; die schwarzen Gesichter waren grotesk überzeichnet und zu fast affenartigen Zügen verzerrt. Von den Körpern hingen Kleidungsfetzen, von denen manche deutlich als die Reste blauer Uniformen erkennbar waren. Wenn er dieses Bild sah, wusste Pfeyfer genau, welches Schicksal Weaver und seine Gesinnungsgenossen ihm und seinesgleichen zudachten, sollten sie ihre Absichten jemals verwirklichen können.
    »Ihr Bruder hat den Verlag gemeinsam mit Ihnen geleitet?«, wollte Pfeyfer wissen.
    Er kannte die Antwort schon, aber es ging ihm

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