Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
ist es!«, rief Healey aus und klatschte in die Hände. Sein Verhalten war so auffällig, dass die Ulanen der letzten Reihe, die gerade an ihm entlangritten, die Köpfe in seine Richtung wandten und befremdet auf ihn schauten. Aber Healey achtete gar nicht auf ihre Blicke, denn er hatte gerade einen Einfall gehabt, der ihn aller Sorgen enthob.
    Da Major Pfeyfer auf dem Bahnhof mit Amalies Freundin gesprochen hatte, so folgerte er, musste dieser sie kennen. Healey brauchte ihn also nur zu bewegen, ihm zu sagen, wer sie war. Dann würde er sie aufsuchen, in tiefster Zerknirschung seinem Bedauern über den Zwischenfall Ausdruck verleihen und sich mit ein wenig Geschick vom rüpelhaften Beaulieu distanzieren, mit dem ihn ja tatsächlich nichts verband. War ihm das alles erst einmal überzeugend gelungen, konnte er sie bitten, ihn Fräulein von Rheine vorzustellen. Es war alles so einfach!
    »Ich danke euch für diese Eingebung!«, rief er den Ulanen hinterher und winkte ihnen nach. Er vollführte einen kleinen Luftsprung und setzte mit einem Lächeln auf den Lippen seinen Weg fort.
     
    * * *
     
    »Ich bin erfreut, Sie wiederzusehen, Demoiselle Heinrich«, begrüßte Kronprinz Heinrich, an diesem Tag in eine weiße Kürassieruniform gekleidet, die Schuldirektorin.
    Rebekka vollführte einen tiefen Knicks vor dem Thronfolger. Sie war schrecklich aufgeregt. Pfeyfers Warnung klang ihr noch immer in den Ohren. Über ihre Lage machte sie sich keinerlei Illusionen. Sie war der Ketzerei gegen Preußen in Worten, Taten und Gedanken bezichtigt und trat nun vor ihren Inquisitor. Befand der Kronprinz, dass sie ihres Verhaltens wegen nicht länger als Staatsdienerin und Lehrerin tragbar war, dann zerrann alles, wofür sie sich seit Jahren eingesetzt hatte. Schlimmer noch, ihre Maßregelung würde bis ins ferne preußische Kernland Kreise ziehen und Wasser auf die Mühlen jener Männer sein, die in ihrer Anmaßung jungen Mädchen auch weiterhin jede höhere Bildung vorenthalten wollten.
    Dennoch hatte sie nicht vor, zu Kreuze zu kriechen. Sie musste für ihre Überzeugungen einstehen.
Wer immer nur zurückweicht, steht am Ende mit dem Rücken zur Wand,
redete sie sich ins Gewissen.
    »Es ist mir eine Ehre, Hoheit«, entgegnete sie beherrscht. Sie fürchtete, dass ihre Stimme verraten könnte, wie aufgewühlt sie war; doch diese Sorge war unnötig.
    Nachdem Rebekka sich wieder aufgerichtet hatte, deutete der Prinz einen Handkuss an und bat sie, Platz zu nehmen. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder, während der Kronprinz mit dem gegenüberstehenden Sessel vorliebnahm.
    Äußerlich ruhig betrachtete sie den Thronfolger. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er sie gleich mit einem ungalanten Donnerwetter und Vorhaltungen empfangen würde. Lieber wäre ihr ein solcher Beginn der Begegnung allerdings schon gewesen. Die Freundlichkeit empfand sie als viel nervenzehrender.
    »Verehrte Demoiselle Heinrich, Major Pfeyfer berichtete mir über Sie«, leitete der Kronprinz das Gespräch ein.
    Es geht also los, die Gewitterwolken ziehen am Horizont auf,
dachte Rebekka. Zugleich schwand ihre Furcht, sie fühlte sich angriffslustig und schickte sich an, der Attacke zuvorzukommen.
    »Zweifellos hat der Major kein gutes Haar an mir gelassen. Deshalb bin ich hier. Gehe ich mit dieser Annahme richtig, Hoheit?«, sagte sie mit couragierter Offenheit.
    Der Kronprinz, augenscheinlich durch das unerwartete Vorpreschen der Direktorin leicht verunsichert, vermied eine direkte Antwort: »Nun, ich hatte ja bereits auf dem Ball den Wunsch geäußert, mich eingehender mit Ihnen zu unterhalten. Major Pfeyfers Darstellung Ihres Charakters hat mich darin bekräftigt. Ihm zufolge üben Sie scharfe Kritik an der Krone, am Zustand des Staates und an seinen Repräsentanten. Und dies nicht nur gelegentlich, sondern häufig und zudem in aller Öffentlichkeit. Trifft das zu?«
    »Jedes Wort, Hoheit«, bestätigte Rebekka. Sie merkte, wie sich die Schlinge enger um ihren Hals zog; aber das steigerte nur ihren trotzigen Willen, nicht kampflos die Fahne zu streichen.
    Prinz Friedrich fixierte sie forschend mit seinen blauen Augen. »Sie sind demnach eine Gegnerin der Monarchie?«
    »Das bin ich«, sagte Rebekka und staunte insgeheim, wie leicht ihr diese Worte, nach denen es kein Zurück mehr gab, über die Lippen kamen. »Eine Gegnerin der Monarchie, wie wir sie gegenwärtig ertragen müssen. Die Monarchie könnte unendlich wertvoll für Preußen sein. Sie könnte die

Weitere Kostenlose Bücher