Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
Karolina erobern kann, muss sie sich zunächst einmal des Sieges über die Nordstaaten gewiss sein. Ihnen zu diesem Sieg zu verhelfen, ist mein Auftrag.«
    Beaulieu hatte Mühe, einen klaren Kopf zu bewahren. Die Aussicht, dass aus Karolina wieder South Carolina werden könnte, wühlte ihn auf. Aber bei allem Enthusiasmus entging ihm nicht, dass eine ganz entscheidende Frage noch gänzlich offen war. »Ich sehe nun, dass überzeugende Gründe hinter Ihrer Mission stehen, Colonel«, befand er. »Aber bei allem Respekt, wie könnte Österreich uns schon zum Sieg verhelfen?«
    »Ich will es Ihnen darlegen, Mr. Beaulieu . Vergegenwärtigen wir uns doch die Lage, in der sich die Konföderation befindet«, leitete Kolowrath seine Erklärung ein. »Sie verfügen über die besseren Soldaten und die fähigeren Feldherren, das dürfte unstrittig sein. Und dennoch vermögen Ihre Armeen nicht den entscheidenden Sieg zu erringen, der den Norden zur Anerkennung Ihrer Unabhängigkeit nötigt.«
    Beaulieu ballte unwillkürlich in hilfloser Wut die Fäuste. »Unseren mutigen Männern fehlt es am Nötigsten. Gewehre, Schießpulver, Verpflegung, Stiefel – von nichts ist auch nur annähernd genug vorhanden. Viele unserer Soldaten gehen hungrig und barfuß in die Schlacht und müssen warten, bis sie die Muskete eines gefallenen Kameraden aufheben können. Dieser gottverfluchte Mangel an allem und jedem lähmt unsere Armee und verhindert, dass sie ihre Siege ausnutzen kann, während die verdammten Yankee-Söldner alles in Unmengen in den Arsch geschoben bekommen!«
    »Und nun malen Sie sich aus, was 75 000 Ihrer ausgezeichneten konföderierten Kämpfer erreichen könnten, wenn sie erstklassig ausgerüstet wären«, forderte Kolowrath ihn suggestiv auf. »Mit fabrikneuen Musketen, bestem Schuhwerk, einwandfreien Uniformen, reichlich Munition und Proviant. Was könnten diese Männer, die unter schlechtesten Bedingungen schon so viele Siege errungen haben, dann wohl vollbringen?«
    »Bei Gott!«, entfuhr es Beaulieu . »Dann würden sie die Yankees beiseitefegen und die Flagge des Südens auf dem Weißen Haus in Washington hissen. Nichts könnte sie aufhalten, und – einen Moment, Colonel! Das sind doch nichts als Luftschlösser!«
    »Was bringt Sie zu dieser Ansicht?«
    »Sie wissen nur zu gut, dass unsere Häfen entweder vom Feind besetzt oder von See her abgeriegelt sind. Nur einzelne Blockadebrecher kommen noch durch, doch Ausrüstung für 75 000 Mann lässt sich auf diese Weise in Jahrzehnten nicht herbeischaffen.«
    »Friedrichsburg ist von der Blockade nicht betroffen«, erinnerte ihn Kolowrath.
    Beaulieu verzog das Gesicht. »Meinen Sie, wir hätten diese Möglichkeit noch nicht selber in Betracht gezogen? Das Embargo aufheben, über Karolina ungehindert Baumwolle ausführen und im Gegenzug dringend benötigte Waffen aus Europa ins Land bringen? Verabschieden Sie sich von diesem Gedanken. Vor Friedrichsburg lauern Yankee-Fregatten. Sie lassen nur Schiffe unter preußischer Flagge unkontrolliert passieren. Aber keine preußische Reederei will für den Süden bestimmte Waffen transportieren, aus Furcht, die Yankees könnten die Häfen des Nordens für ihre Schiffe schließen oder andere Repressalien anwenden.«
    »Ich bitte Sie, Mr. Beaulieu . All das habe ich einkalkuliert. Ich stelle anheim, dass Sie hier in Karolina eine eigene Reederei gründen, die Ihnen das Recht gibt, unkontrolliert unter preußischer Flagge zu fahren.«
    »Das scheint mir nicht praktikabel, Oberst Kolowrath. Wir würden viele Schiffe benötigen, um Kriegsgüter für eine ganze Armee über den Atlantischen Ozean zu schaffen. Dass eine solche Anzahl geeigneter Schiffe gegenwärtig zum Verkauf steht, wage ich zu bezweifeln.«
    »Sie brauchen nur ein einziges Schiff, Sir«, behauptete Kolowrath. Er zog ein Foto aus der Tasche und reichte es dem Südstaatler, der nur einen Blick auf das Bild warf und dann den Österreicher ansah, als habe dieser den Verstand verloren.
    »Treiben Sie keine Scherze mit mir!«, warnte Beaulieu ihn. »Das ist die
Great Eastern,
oder glauben Sie, ich wüsste das nicht?«
    »Im Gegenteil, ich hatte damit gerechnet, dass Sie dieses Schiff erkennen würden«, entgegnete der Oberst ruhig.
    »Aber – ich begreife nicht …«
    »Nun, die
Great Eastern
liegt momentan beschädigt in New York. Ihre Reparatur würde viel Geld verschlingen, und die Reederei wäre nur zu froh, einen Abnehmer für dieses verlustbringende Monstrum zu finden. Sie

Weitere Kostenlose Bücher