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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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sollte der Norden den Süden niederringen, dann werden die Vereinigten Staaten über kurz oder lang in Mexiko intervenieren, um Maximilian zu stürzen.«
    Jetzt erkannte Beaulieu , worauf der österreichische Oberst hinauswollte; seine Miene hellte sich auf, als er die Querverbindungen durchschaute. »Sie wollen uns zum Sieg verhelfen, um Lincoln von einem Eingreifen in Mexiko abzuhalten … und vermutlich auch, damit die Konföderierten Staaten in Zukunft dem Kaiser von Mexiko als verlässliche Verbündete gegen Begehrlichkeiten und Einmischungen der Yankees beistehen, ist es nicht so?«
    Kolowrath nickte bestätigend. »Das ist zutreffend. Zwar hegt Österreich selbst keine Ambitionen in Mexiko, doch empfände es mein Kaiser als höchst unangemessen, wenn sein Bruder vom mexikanischen Thron verjagt würde wie ein räudiger Hund.«
    Beaulieu lehnte sich zurück. Für einige Sekunden schwieg er nachdenklich und trommelte mit den Fingern auf dem Griff seines Gehstocks. Dann blickte er Kolowrath fest in die Augen und sagte: »Gut und schön, Colonel. Aber ich bin nicht so naiv zu glauben, dass alleine der Stolz des Hauses Habsburg Grund genug sein könnte, uns zum Sieg zu verhelfen. Sie können mir nichts vormachen, dahinter steckt doch noch mehr.«
    »Ihr Gespür für diese Dinge ist bemerkenswert«, attestierte Kolowrath. »Sie haben natürlich absolut recht, die Wahrung der Würde meines Kaiserhauses ist nur ein Aspekt. Und aus meiner Sicht ist er auch eher untergeordneter Natur. In erster Linie geht es um die politische Macht Österreichs.«
    »Sagten Sie nicht eben, Österreich habe keinerlei derartige Ambitionen?«
    »In Mexiko, Sir, in Mexiko. Doch hier geht es um Europa«, erklärte Kolowrath. »Sehen Sie, seit bald einem halben Jahrhundert ist Österreich die unangefochtene Führungsmacht im Deutschen Bund. Doch seit geraumer Zeit neidet Preußen uns diese Rolle und verlangt mit Nachdruck, gleichberechtigt neben Österreich an der Spitze der deutschen Staaten zu stehen. Und nun hat der preußische König auch noch einen gewissen Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten berufen, der Österreich geradezu hasst und daraus keinen Hehl macht. Er wird Preußen über kurz oder lang in einen Krieg gegen Österreich treiben, wenn ihm niemand Einhalt gebietet.«
    Beaulieu dachte sichtlich angestrengt nach, musste dann aber mit einem Kopfschütteln kapitulieren. »Ich vermag den Zusammenhang mit unserem Krieg gegen die Yankees nicht auszumachen, Colonel.«
    »Es ist an uns, diesen Zusammenhang erst herzustellen, Mr. Beaulieu . Wenn ich mir die Frage erlauben darf, was empfinden Sie, wenn Sie an Preußisch-Karolina denken?«
    »Die Wut, die jeder aufrechte Mann des Südens empfinden muss«, antwortete der Südstaatler. »Die Preußen haben uns dieses Stück Amerika gestohlen, und wir werden es uns eines Tages zurückholen. Das gebietet die Ehre. Außerdem – Sie haben doch gesehen, wie die Nigger hier herumstolzieren! Das macht mich krank! Das hier ist ein Geschwür im Fleisch des Südens. Es muss weg, es muss ausgemerzt werden, wenn es nicht den ganzen Körper mit seiner stinkenden Fäulnis anstecken soll!«
    Beaulieu hatte sich dermaßen in Rage geredet, dass sein Gesicht sich zu einem hässlichen dunklen Rot verfärbt hatte und sein Hals so angeschwollen war, dass er fast den steifen Hemdkragen zu sprengen drohte. Doch Kolowrath schien das nur am Rande zur Kenntnis zu nehmen. Er legte die Hände an den Fingerspitzen zusammen und erläuterte gelassen, als würde er in einem kultivierten Herrenclub sprechen.
    »Genau an diesem Punkt berühren sich unsere politischen Interessen, Sir. Wir möchten, dass die Konföderation mit einer raschen militärischen Operation Besitz von Karolina ergreift. Das Unvermögen, diese Provinz zu verteidigen, wird Preußen, das sich doch so sehr seiner militärischen Tugenden rühmt, bis auf die Knochen blamieren. Diejenigen unter den Staaten des Deutschen Bundes, die momentan noch im preußischen Fahrwasser segeln, werden sich abwenden.« Kolowrath beugte sich ein wenig vor, sein Tonfall wurde fast beschwörend eindringlich, als er das Szenario des preußischen Verhängnisses beschrieb. »Ansehen und Stellung Preußens in Europa werden einen Schlag erleiden, von dem sich der Staat in absehbarer Zeit nicht erholen wird. Und ein solches Desaster muss unweigerlich auch zum Sturz Bismarcks führen. Damit wären alle Gefahren für Österreich gebannt. Freilich, damit die Konföderation

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