Die Fahrt des Leviathan
wäre daher ohne Frage zu einem günstigen Preis zu haben. Und nun bitte ich Sie, sich vorzustellen, wie dieses Schiff siebentausend, achttausend, ja neuntausend Tonnen Baumwolle auf einen Schlag nach Europa bringt, wo inzwischen schwindelerregende Preise gezahlt werden. Den Verkauf würden im Vorfeld österreichische Agenten diskret in die Wege leiten, die Waffen und alles Sonstige käme aus österreichischen Heeresdepots. Und dann kehrt die
Great Eastern
zurück, mit der gesamten Ausrüstung, die Ihre 75 000 Soldaten benötigen, um den Nordstaaten ein für allemal die Fortführung dieses Krieges zu verleiden. Nun, was sagen Sie dazu?«
Mit glänzenden Augen und offenem Mund starrte Beaulieu den Oberst an.
Er war so überwältigt, dass es eine Weile dauerte, bis er seine Gedanken geordnet hatte und in Worte fassen konnte: »Das ist – das ist phantastisch! Und niemand könnte uns daran hindern. Österreich würde das alles für die Konföderation tun?«
»Zu verschenken hat mein Land freilich nichts«, schränkte Kolowrath ein. »Wir gehen für den Erwerb der
Great Eastern
in Vorleistung und behalten diesen Betrag sowie den Gegenwert der gelieferten Armeegüter später vom Erlös aus dem Verkauf der Baumwolle ein. Doch Sie dürfen versichert sein, dass wir dabei mit äußerster Genauigkeit vorgehen, so dass Sie nicht zu befürchten brauchen, übervorteilt zu werden.«
»Dergleichen auch nur zu denken, würde mir nie in den Sinn kommen, Sir«, beteuerte Beaulieu .
»Und mir liegt fern, einem Gentleman solche Gedanken zu unterstellen«, erwiderte Kolowrath mit einem schmalen Lächeln. »Ich darf davon ausgehen, dass Sie gleich morgen zurückfahren und Präsident Davis das Angebot meines Landes überbringen werden?«
»Ich begebe mich auf dem schnellsten Wege nach Richmond. Und ich werde alles tun, um den Präsidenten zum Akzeptieren dieses Vorschlags zu bewegen. In vier Tagen erhalten Sie ein Telegramm, aus dem seine Entscheidung hervorgeht.«
»Exzellent. Damit dürfte alles gesagt sein, was es heute zu sagen gab.«
Die beiden Männer erhoben sich von der Bank, lüfteten mit einer kleinen Verbeugung die Zylinder und schritten in entgegengesetzten Richtungen davon.
Kolowrath schlenderte ohne Hast durch die gepflegten Parkanlagen. Er war überaus zufrieden mit dem Verlauf des Gespräches. Die Sache war doch weitaus einfacher vonstattengegangen, als er zuvor gedacht hatte.
Sein Plan hatte die erste große Hürde überwunden.
* * *
Ziellos wanderte Healey durch die Straßen. Von seiner Umgebung nahm er kaum etwas wahr; zu tief war er in Gedanken versunken.
Noch immer verspürte er Wut auf sich selbst und macht sich unentwegt Vorhaltungen. Wieso nur hatte er gestern nicht beizeiten auf dem Bahnsteig sein können? Dann wäre dieses elende Malheur nicht geschehen und er hätte sich nicht zu scheuen brauchen, Fräulein von Rheines Freundin anzusprechen. Ja, vielleicht würde er dann zu dieser Stunde bereits mit einem Blumenstrauß vor Amalies Tür stehen. Doch wie sollte er sie jetzt finden? Je länger er grübelte, desto mehr wuchs in ihm die Überzeugung, dass er leichtfertig seine einzige Chance auf ein wenig Glück vertan hatte.
»Heda! Aus dem Weg!«
Ein lauter Zuruf ließ Healey aus seinen Gedanken schrecken. Entsetzt stellte er fest, dass er nicht nur mitten auf der Straße stand, sondern auch noch eine Schwadron Landwehr-Ulanen direkt auf ihn zugeritten kam und nur noch wenige Yards entfernt war. Der Rittmeister an der Spitze brüllte ärgerlich, um den unaufmerksamen Zivilisten zum Beiseitetreten zu bewegen.
Healey sprang eilends auf das Trottoir. Nur Augenblicke später zogen die Reiter an ihm vorüber. Er betrachtete die passierenden stolzen Kavalleristen mit ihren schmucken Uniformen und den Tschapka-Helmen aus glänzend schwarzem Leder, an denen blank polierte Messingbeschläge funkelten. Der Kontrast zu den abgerissenen Kämpfern der Südstaaten hätte kaum größer sein können. Weit davon entfernt, von der dargebotenen militärischen Pracht beeindruckt zu sein, fragte Healey sich, ob ein solcher Aufwand überhaupt gerechtfertigt war.
Letztlich haben alle Soldaten einfach nur die Aufgabe, möglichst viele andere Soldaten zu töten, ehe sie früher oder später selber ins Gras beißen,
sinnierte er düster.
Dazu ist nun wirklich keine derartige Ausstaffierung nötig. Nun gut, ich habe noch nie einen eindrucksvolleren Neger gesehen als Major Pfeyfer in seiner Uniform, aber –
»Das
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