Die Fahrt des Leviathan
auf den Triumph der Konföderation, die Demütigung Preußens und das Wohl Österreichs. Nicht zu vergessen, auf Sie und Ihren großartigen Plan, Leutnant – nein, Colonel Levi«, setzte Beaulieu hochgestimmt hinzu.
Kolowrath schenkte dem Leutnant eilig ebenfalls Wein ein, und die vier Männer ließen die Gläser klirrend zusammenstoßen.
17. November
Doktor Täubrich fühlte den Puls am fleischigen Handgelenk und behielt zugleich den Sekundenzeiger seiner Taschenuhr im Auge.
»Ich kann Sie beruhigen. Es handelt sich um einen ganz gewöhnlichen Kater«, lautete schließlich seine Diagnose. »Nichts Ernstes also. Sie haben nur das eine oder andere Glas zu viel genossen.«
Jeremiah Weaver, dessen voluminöse Gestalt das Bett fast zu sprengen schien, kniff schmerzerfüllt die Augen zu. »Nicht so laut, Sie elender Folterknecht«, stöhnte er leidend.
»Ich werde Ihnen etwas von der Apotheke kommen lassen, was Ihr Kopfweh ein wenig lindert«, versprach Täubrich mit nunmehr rücksichtsvoll gedämpfter Stimme, während er die Uhr wieder in die Westentasche gleiten ließ und das Lederetui mit dem großen Fieberthermometer in seinem schwarzen Ärztekoffer verstaute. »Im Übrigen … was immer Sie gestern getrunken haben, Sie hätten erheblich weniger davon zu sich nehmen sollen. Bei Ihrer Konstitution ist es ratsam, dem Alkohol nur mit größter Vorsicht zuzusprechen.«
»Meine Konstitution geht Sie einen Dreck an«, brummte Weaver kurz angebunden. »Was bekommen Sie für Ihre Dienste?«
Innerlich seufzte Täubrich bekümmert. Uneinsichtige Patienten, die nichts davon wissen wollten, die Ursache ihrer Leiden in ihrem eigenen Verhalten zu suchen, waren ihm ein Gräuel. Und noch weit weniger gefiel es ihm, wenn diese Ignoranz durch Unfreundlichkeit gegenüber dem Arzt eine zusätzliche Steigerung erfuhr. Doch er regte sich nicht auf. Er passte einfach seine Rechnungen an. Manche Leute verdienten es nicht besser.
»Zwei Thaler und einen Groschen«, antwortete er und zurrte den Kofferriemen fest zu.
»Pure Halsabschneiderei für einen solchen Befund«, knurrte Weaver. Der Verleger griff nach Notizblock und Bleistift, die auf dem Nachttisch neben seinem Bett lagen, und schrieb etwas nieder.
Es fiel Täubrich auf, dass Weaver den Stift mit der Linken hielt. Das erschien ihm ungewöhnlich, wurde den meisten Menschen doch die Linkshändigkeit als angeblicher Charakterfehler im Kindesalter von den Lehrern abgewöhnt, teils mit drastischen Methoden und nicht selten mit schlimmen Folgen für das Wohlbefinden der Betroffenen. Da es ein seltener Anblick war, jemanden mit links schreiben zu sehen, bemerkte er ohne jeden Hintergedanken: »Ich sehe, Sie sind Linkshänder?«
Weaver blickte auf und sah ihn feindselig an. »Allerdings. Haben Sie etwas dagegen?«, fuhr er den Doktor barsch an. »Weder mich noch meinen Bruder hat das verdammte preußische Schulwesen zwingen können, Rechtshänder zu werden. Auch Dutzende von Rutenhieben konnten uns nicht brechen. Wir schreiben mit links und sind stolz darauf … nein, wir
waren
stolz … ich vergaß, Nathaniel ist ja …«
Weaver wurde still und ließ den Stift sinken. Für einen Moment glaubte Täubrich, Tränen in die Augen des Verlegers steigen zu sehen. Dann aber wurde Weavers Blick augenblicklich wieder so klar wie zuvor. Er riss das Blatt vom Block und gab es dem Arzt mit den Worten: »Hier. Gehen Sie damit zur Kasse in meinem Verlagshaus und Sie erhalten Ihr Geld. Jetzt lassen Sie mich in Ruhe, mein Kopf dröhnt.«
Täubrich dankte lächelnd, nahm die Tasche und empfahl sich.
Als er das ansehnliche Stadthaus Weavers verließ und auf die Straße hinaustrat, war Täubrich froh, der Gegenwart dieses Mannes entronnen zu sein. Der Verleger war ihm unsympathisch, und das nicht allein aufgrund seiner Publikationen, sondern auch als Patient.
Rasch rief Täubrich sich die weiteren Termine dieses Tages ins Gedächtnis machte sich dann auf den Weg zu seinem nächsten Hausbesuch. Während er das palmengesäumte Trottoir entlangging, hatte er ein eigenartiges Gefühl. Ihm wollte nicht aus dem Kopf gehen, mit welchem Stolz Weaver von seiner Linkshändigkeit gesprochen hatte. Weshalb ließ ihn diese vollkommen bedeutungslose Aussage noch immer nicht los?
Das Gehirn erlaubt sich bisweilen merkwürdige Kapriolen,
folgerte Täubrich und beschloss, diesen fruchtlosen Gedanken keine Beachtung zu schenken.
Vom Turm der St.-Georgs-Kirche schlug es halb elf und erinnerte den Doktor
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