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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Plan ist ausgezeichnet. Ich billige ihn in allen Punkten«, befand Davis dann, nachdem er sich das gesamte Projekt noch einmal sorgfältig durch den Kopf hatte gehen lassen.
    »Ich bin sicher, Ihre Entscheidung wird den Sieg der gerechten Sache herbeiführen, Mr. President«, sagte Beaulieu .
    Die zwei Männer saßen sich im Salon von Davis’ Amtssitz, dem Weißen Haus der Konföderation, in großen Ledersesseln gegenüber. Ihre kostbar geschliffenen italienischen Kristallgläser enthielten statt des erstklassigen französischen Weins, der vor dem Krieg das bevorzugte Getränk südstaatlicher Gentlemen gewesen war, eine eher drittklassige mexikanische Abfüllung, die Davis’ ernstes Bemühen widerspiegelte, Sparsamkeit und Genügsamkeit zu üben.
    Beaulieu trank einen Schluck, um seinen von den langen Ausführungen trockenen Rachen zu befeuchten, und fuhr sodann fort: »Unsere neuen österreichischen Freunde möchten beizeiten erfahren, welches Kriegsmaterial wir benötigen, damit sie entsprechend disponieren können.«
    »Prinzipiell haben wir Bedarf an allem. Sie kennen die Versorgungslage unserer Armee«, meinte Davis. »Doch ich werde mich demnächst nach Fredericksburg begeben, um mich mit General Lee zu beraten. Haben Sie einige Tage Geduld, dann können Sie mit einer Aufstellung all dessen, was er benötigt, nach Charleston zurückfahren. Jedoch …«
    Der Präsident streckte die Hand nach seinem auf dem Beistelltisch stehenden Glas aus, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne und zog den Arm wieder zurück. Eine tief gekerbte Falte wölbte sich zwischen seinen Augenbrauen, als er besorgt weitersprach: »Mir ist äußerst unwohl bei der Vorstellung, dass wir den preußischen Kronprinzen als Geisel nehmen, um uns dann South Carolinas zu bemächtigen. So sehr ich mir als Mann des Südens wünsche, jenes Stück unseres Heimatlandes heimkehren zu sehen, so unumgänglich dieses Vorgehen dafür auch ist – es haftet ihm doch der schlimme Geruch der Unehrenhaftigkeit an. Wir stehen nicht im Krieg mit Preußen und wurden auch nicht provoziert.«
    »Die bloße Existenz dieser Provinz voller eingebildeter Nigger ist tägliche Provokation, Mr. President«, widersprach Beaulieu energisch.
    »So sehen Sie das, so werden es auch viele andere im Süden sehen. Aber General Lee? Wenn er erfährt, dass der Sieg der Konföderation durch einen derartigen Akt erkauft werden soll, dann wird er sich mit aller Entschiedenheit dagegen verwahren. Ich habe ihn kennengelernt und ich bin überzeugt, dass ihm seine Ehre nicht gestattet, einen solchen Plan zu billigen.«
    »Dann sagen Sie ihm nichts davon«, schlug Beaulieu vor. »Er braucht im Vorfeld nichts über die Hintergründe zu wissen. Setzen Sie ihn einfach nur darüber in Kenntnis, dass Österreich uns aus politischen Erwägungen Unterstützung zukommen lässt. Wenn wir South Carolina erst einmal befreit haben, wird er vor vollendeten Tatsachen stehen.«
    Grübelnd zupfte Davis sich am Bart. »Wohl ist mir nicht dabei. Einen so verdienten Befehlshaber aus Kalkül zu belügen, weil uns seine charakteristischen Tugenden in diesem Falle ungelegen kommen, ist wahrlich nichts, worauf man stolz sein darf. Nur sehe ich auch keinen anderen gangbaren Weg.«
    »Es ist ein geringer Preis für die Freiheit des Südens«, versicherte Beaulieu .
    »Ob der Preis wirklich gering war, werden wir erst dann beurteilen können, wenn wir ihn bezahlt haben«, entgegnete Davis ernst.

22. November
Am Nordufer des Rappahannock-Flusses in Virginia
    Von den Höhenzügen, die das Flusstal überragten, vermochte General Burnside alles Wesentliche zu überblicken. Er sah nicht nur den Rappahannock, der sich durch die in allen Nuancen von Gelb, Rot und Braun eingefärbte Landschaft zog und über dem herbstliche Nebelschleier trieben. Er sah auch die kleine Stadt Fredericksburg am jenseitigen Ufer; aus den Kaminen der Häuser stieg weißer Rauch auf und verlor sich erst hoch oben in der klaren, kalten Herbstluft. Und er sah die steinernen Pfeiler der Eisenbahnbrücke, die bis vor noch gar nicht langer Zeit den Fluss überspannt hatte. Nun ragten sie nackt und verloren aus dem dahinströmenden Wasser, umwallt von flüchtigen Dunststreifen.
    Ambrose Burnside bedauerte sehr, dass er diese friedliche Gegend schon bald zum Schauplatz blutigen Tötens machen musste. Doch ihm blieb keine andere Wahl.
    Der General saß auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes weit oben auf der Anhöhe. Er hatte ein wenig

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