Die Fahrt des Leviathan
richtigen Stimmung, um sich für sein Anliegen empfänglich zu zeigen.
Er trat von der Seite an ihn heran, lüftete den Zylinder und grüßte: »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Herr Leutnant.«
Der Offizier blickte ihn aus matten Augen an. Ihm war anzusehen, dass er kurz nachdachte, woher er den schmächtigen Mann mit dem Bärtchen kannte, und dass ihm dann einfiel, ihn schon einmal in Major Pfeyfers Gegenwart gesehen zu haben.
Levi rang sich ein sparsames Nicken ab und entgegnete trocken: »Ein guter Tag sieht anders aus.«
»Das ließe sich ändern«, meinte Kolowrath und lächelte undurchsichtig. »Ich habe Ihnen nämlich einen Vorschlag zu unterbreiten, der Sie sehr interessieren dürfte …«
16. November
Der aufsteigende Zigarrenrauch umkräuselte träge die vier Glaskugeln, in denen züngelnde Gasflammen unter leisem Zischen Licht spendeten. Unter dem von der Decke hängenden Leuchter saßen um einen Tisch versammelt Kolowrath, Beaulieu und der Verleger Jeremiah Weaver. Für dieses Treffen hatte der österreichische Oberst den Südstaatler in sein Haus in Schönhöhe gebeten, und Beaulieu hatte es für angebracht befunden, nunmehr auch den führenden Kopf der karolinischen NeitherNors in das Vorhaben einzuweihen. So hatte er Weaver, dessen vielfältige Aktivitäten er schon seit Langem nach Kräften unterstützte, ebenfalls zu dieser geheimen Unterredung gebeten, womit Kolowrath sich absolut einverstanden zeigte.
»Sie haben Mr. Healey nicht einbezogen, wie ich sehe«, stellte der Österreicher fest, während er seinen Gästen Wein aus einer Karaffe einschenkte.
»Ich hielt es nicht für ratsam«, begründete Beaulieu seine Entscheidung und deutete durch eine Geste an, dass ihm ein halbes Glas genüge. »Als ich ihn gestern nach meiner Ankunft sprach, schien er mir in eigenartig labiler Gemütsverfassung zu sein. Zwar habe ich keinen Grund, an seiner Loyalität zu zweifeln – doch in einem solchen Zustand kann ein Mann ungewollt Dinge preisgeben, die er für sich behalten sollte. Daher ist es wohl besser, ihn über alles im Unklaren zu lassen. Zudem dürfte es nützlich sein, wenn die Richmond-Handelsgesellschaft von jemandem repräsentiert wird, der von nichts weiß und sich daher auch nicht zu verstellen braucht.«
Kolowrath pflichtete bei, und auch Weaver befürwortete die Entscheidung.
Als alle Gläser gefüllt waren, setzte Beaulieu an, von den Ergebnissen seines Aufenthalts in Richmond zu berichten: »Präsident Davis hat, wie Ihnen bekannt ist, sein grundsätzliches Einverständnis erklärt. Allerdings wünscht er vorab zu erfahren, wie dieses schwierige Unterfangen konkret verwirklicht werden soll.«
»Ein berechtigtes Anliegen«, bestätigte ihm Kolowrath. »Und Sie sollen alle Auskünfte erhalten, nach denen Ihr hochgeschätzter Präsident verlangt. Aber gestatten Sie, dass ich die Darlegung des Plans dem Manne überlasse, der ihn erdacht hat.«
Der Oberst schlug mit dem Griff des Korkenziehers an das Weinglas. Kaum war das helle Geräusch verklungen, da öffnete sich die Tür an der Stirnseite des Salons.
Entgeistert starrten Beaulieu und Weaver den jungen Mann in preußischer Offiziersuniform an, der in den Raum trat.
»Meine Herren, ich darf Ihnen Leutnant David Levi vom 1. Karolinischen InfanterieRegiment vorstellen«, sagte Kolowrath, offensichtlich sehr zufrieden mit dem Effekt des Auftritts.
»Ein preußischer Offizier? Was hat das zu bedeuten?«, fragte Weaver argwöhnisch.
»Das würde mich auch ausnehmend interessieren«, schloss Beaulieu sich an. »Oberst Kolowrath, die Anwesenheit dieses Mannes stellt eine Gefährdung unseres Plans dar!«
»Im Gegenteil, Gentlemen. Dieser Mann
ist
unser Plan!«, hielt Kolowrath entgegen. »Doch zunächst sei Ihnen gesagt, dass Leutnant Levi sich uneingeschränkt unserer Sache verschrieben hat.«
»Ich schulde Preußen nichts«, bestätigte Levi bitter. »Ich hatte diesem Land mit ganzer Hingabe gedient und empfing als Lohn nur Demütigungen. Treue beruht immer auf Gegenseitigkeit. Ich will diesen arroganten, widerwärtigen Staat nur noch erniedrigt sehen.«
Seine Stimme war mit jeder Silbe schneidender und galliger geworden. Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
Beaulieu erhob sich und reichte dem Leutnant die Hand: »Bei Gott, Mr. Levi! Ich schwöre Ihnen, wenn Ihr Plan uns den Sieg bringt, dann sollen Sie Colonel der Confederate States Army werden. Das – und Sie sollen jede andere Belohnung erhalten, die Ihnen die
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