Die Fahrt nach Feuerland
Ernstfall sieht das doch anders aus. Da ist dann ringsherum die Hölle los. Aber jetzt? Das ist doch nur sinnloses Theater. Ihr kotzt mich alle an!«
Nach sieben Tagen nahm man die Insel wieder an Bord. Trosky suchte sofort Dieter Randler auf. Der hatte sich vorsichtshalber in seiner Kabine eingeschlossen und bot Waffenstillstand an, mit Hilfe einer großen Flasche Whisky.
Die ›Manöverkritik‹, wie Losskow die Zusammenfassung aller Beobachtungen und Ergebnisse nannte, war vernichtend. Sie saßen im Salon der Yacht um den Tisch, ließen die Köpfe hängen, wußten genau, daß sie versagt hatten, und hörten geduldig zu, wie Losskow die rhetorische Frage stellte: »Und wir wollen mit einem 8,70-m-Boot rund um die Welt? Wir armseligen Würstchen!«
»Immerhin haben wir das Schamgefühl über Bord geworfen!« sagte Trosky bissig. »Diesen Ballast sind wir los! Wir werden uns auch noch von den anderen Belastungen befreien. Eins haben wir jedenfalls gezeigt, Sir!« Er sprang auf und legte die Hand an die Stirn. »Wir sind zu allem bereit!«
Losskow lächelte schwach.
Nach dieser Krise auf der Rettungsinsel blieb Jan Trosky zwei Tage in Hamburg verschollen. »Laß ihn«, sagte Helena Sydgriff, als Losskow die Überlegung anstellte, ob man Trosky aus der Crew streichen und einen anderen suchen solle. »Frag ihn auch nicht, wo er gewesen ist. Besser so, als wenn er uns auf die Nerven fällt mit seiner hormonellen Hysterie. Jeder von uns hat eine Macke – du auch! Wenn es drauf ankommt, kannst du dich auf Jan verlassen, das weißt du. Er hat Fäuste, die vor nichts Angst haben. Mehr Sorge macht mir Luzi. Jan kann verschwinden; die Männer haben es gut mit ihrer Sondermoral. Wenn eine Frau das gleiche Recht verlangt, ist sie eine Nutte.«
»Ach so! Das ist es?!« Losskow blickte unsicher an Helena vorbei. »Hat sie mit dir darüber gesprochen?«
»Noch nicht. Aber gestern abend hat sie sich betrunken. Fast eine ganze Flasche Grappa hat sie in sich hineingekippt. Wie gelähmt lag sie auf ihrem Bett, sprach mit einem imaginären Angelino und liebte ihn offenbar in ihrer Phantasie. Sie war so in Schweiß gebadet, daß ich sie waschen mußte. Aber sie hat das gar nicht wahrgenommen, sie war vollkommen weggetreten. Sie schläft noch immer.«
»Das ist wirklich ein Problem.« Losskow sah Helena forschend an. »Und du?«
»Was ich?« fragte sie ausweichend.
»Wir hatten uns vorgenommen, uns alles zu sagen und ehrlich zu sein. Gerade, was unsere kritischen Punkte betrifft. Die müssen wir beherrschen. Der Ozean wirft noch genug Probleme auf. Wir können später nicht verrückt spielen, nur weil wir unbedingt einen Mann oder eine Frau brauchen!«
»Um mich mach dir keine Sorgen«, sagte Helena Sydgriff verschlossen. »Ich habe mich unter Kontrolle.«
»Gibt es dafür Tabletten?«
»Du bist wirklich ein liebes Rindvieh, Peer.«
Ich habe dir allerhand zu sagen, dachte Losskow. Nein, ich könnte dir viel, sehr viel sagen über das, was ich fühle, was ich träume, was ich an Wünschen mit mir herumschleppe. Vor drei Tagen lagen wir noch in paradiesischer Unbefangenheit auf engstem Raum nebeneinander, wärmten unsere Körper gegenseitig. Aber dann, als wir ins normale Leben zurückgekehrt waren, blieb dein Bild in mir haften, und es veränderte sich rasend schnell. Ich sah dich plötzlich anders: der Linienschwung deines Körpers, von den Schultern über die vollen Brüste zu dem flachen Bauch bis zu den Rundungen von Hüften und Schenkeln. Dein blondes Haar, den weißlichen Flaum auf deiner Haut, der sich wie Samt anfühlt, wenn man die Hand darüberschweben läßt. Und mich überfiel eine Sehnsucht, die sich nur noch mit der eiskalten Dusche beherrschen ließ. Eine halbe Stunde habe ich unter dem Wasserstrahl gestanden, hab' mich, bis auf die Knochen durchgefroren, in mein Bett gerollt, aber kaum lag ich, dachte ich nichts anderes als: Jetzt müßte sie neben mir liegen!
Soll ich dir das sagen? Jetzt? Laß uns über unsere Probleme frei sprechen!? – Wie kann ich dir sagen, was ich im Traum mit dir erlebe? Es ist ungeheuerlich, ist traumhaft – ich darf nicht darüber sprechen.
»Soll ich mal zu Luzi gehen und nach ihr sehen?« fragte er und kam sich als grandioser Feigling vor.
»Wenn du's aushältst. Das Zimmer stinkt nach Destille. Die Poren atmen den Alkohol aus. Doch, das stimmt! Ich habe das einmal erlebt. Nach dem zweiten Semester war ich sechs Wochen in Afrika, in Tansania. Unsere Uni unterhielt dort ein
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