Die Fahrt nach Feuerland
gegenüber und lehnte den Kopf müde zurück gegen die gepolsterte Lehne. »Warum haben die Menschen so dünne Nerven? Die Welt wollen sie beherrschen, das Weltall, das Atom. Aber sich selbst nicht!«
»Darüber habt ihr euch unterhalten, nachts um halb eins?«
»Auch. Ich bin klüger geworden. Morgen ändere ich den Kurs.«
»Zur Küste?«
»Ja.«
»Also doch wegen Trosky!«
»Nein. Aus Angst.« Er sah Helena mit müden Augen an. »Ganz tief in mir drinnen habe ich plötzlich Angst. Wir werden uns tatsächlich gegenseitig vernichten.«
»Wir beide – uns?«
»Auch wir, Helena. Wir sind schon mittendrin. Ich liebe dich. Ich möchte mit dir schlafen. Ich möchte mit dir so leben, wie es uns beide zu leben drängt. Und was tun wir? Wir bauen gläserne Wände zwischen uns auf – nur um ein Beispiel für die anderen zu geben! Aber damit zerstören wir uns, Schritt um Schritt.«
»Und wenn wir uns lieben, Peer?«
»Dann fällt Trosky über Lucrezia her.«
»Wäre das der Weltuntergang?«
»Es wäre das Chaos! Jan und Luzi – zwei Raubtiere mit Killerinstinkt!«
»Man entschärft eine Bombe nicht, indem man sie zudeckt. Vielleicht wird alles friedlicher, wenn wir unseren Gefühlen folgen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Losskow müde. »Ich weiß nur eins: Ich muß so schnell wie möglich zur Küste!«
Drei Tage später kam schwacher Wind auf. Die Segel blähten sich, das an den Nerven zerrende Herumschaukeln nahm ein Ende, die Helu glitt voran. Trosky schrie Hurra und küßte den Wind. Mit sämtlichen Segeln fing die Helu das neue Leben auf und tauchte mit schäumendem Bug in die lang anrollenden Wellen.
Vier Tage und Nächte hielt der Wind. »Das müssen wir ausnützen!« sagte Losskow. »Damit können wir die verlorene Zeit etwas aufholen! Wir fahren jetzt rund um die Uhr. Wie gehabt.«
Die Zeit der Nachtwachen kam also wieder. Jeder vier Stunden am Ruder. Wenn Trosky oder Losskow an der Reihe waren, korrigierten sie den Kurs, den die Mädchen ja nicht berechnen konnten. Aber schon in der zweiten Nacht kam es zu einem neuen Zusammenstoß.
Trosky, der die Wache von Peter übernahm, warf einen Blick auf die Seekarte und den dort eingezeichneten Kurs.
»Was soll denn das?« fragte er.
»Ich habe die Richtung geändert.«
»Das sehe ich. Der Kurs ist doch völlig idiotisch!«
»Im Gegenteil. Ich will auf die internationale Schiffahrtslinie.«
»Genau das wollten wir doch nicht.«
»Jetzt muß es sein. Ich will an irgendein Schiff heran, damit es dich übernimmt. Ich will dich von Bord haben!«
»Aha! So ist das«, sagte Trosky.
»Ja, so ist das!«
»Es wird Schwierigkeiten geben.« Trosky sah Losskow aus melancholischen Augen an. Aber das täuschte. Dieser Blick verbarg wilde Entschlossenheit. »Du willst ein Held sein und bist doch nur ein Rindvieh.«
Nach acht Stunden, als Losskow wieder das Ruder übernahm, an dem zuvor Lucrezia gewacht hatte, erkannte er sofort, daß der Kurs anders lief. Der Sextant bestätigte seinen Verdacht: Sie segelten den alten Kurs, gerade Richtung Feuerland.
»Ich hab mich an das gehalten, was Trosky mir gesagt hat«, maulte Lucrezia, als Peter fluchend die Helu auf den neuen Kurs brachte. »Ich habe genau aufgepaßt.«
»An dir liegt es auch nicht.« Er setzte sich ins Cockpit und wartete, bis Helena mit dem Frühstück kam und sich neben ihn hockte. Die Helu lief voll im Wind und machte eine vorzügliche Fahrt.
»Wir holen auf, nicht wahr?« fragte Helena.
»Trosky hat in der Nacht den Kurs geändert.«
Entsetzt starrte Helena übers Meer.
»Das ist doch nicht wahr …«, stotterte sie.
»Ich wollte auf die internationale Straße. Er hat wieder auf Feuerland gedreht.«
»Mein Gott! Wer von euch wird wen umbringen?!«
»Wir müssen die Nerven behalten, bis wir Land oder ein Schiff sehen. Dann wird sich zeigen, wer der Stärkere ist.«
Kurz darauf kam Trosky an Deck. Er hatte knapp fünf Stunden geschlafen, schien aber bester Laune zu sein. Er begrüßte Mr. Plump, der auf dem Bugdeck sein morgendliches Geschäft verrichtet hatte, mit dem Wurf einer ausgelutschten halben Zitrone und lachte dröhnend, als Mr. Plump mit fletschenden Zähnen über die Treppe nach unten verschwand.
»Ein Tag zum Hemdhochheben!« sagte Trosky fröhlich und lehnte sich gegen das Kajütendach. »Und dazu Spiegeleier mit Speck zum Frühstück. Und eine Lucrezia, die nackt auf dem Bett liegt, bei offener Tür!« Er blickte auf den Kompaß und nickte. »Habe ich mir gedacht.
Weitere Kostenlose Bücher