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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stützte den Bogen auf seine Knie und sah sich nach Peter um.
    »Setzen wir Preise aus, Peer! Jeder Treffer in die Brustwarze ist eine Zwölf! Und bei jeder Zwölf ist eine Flasche fällig! Bei sechsmal Zwölf hintereinander ist der Preis Luzi!«
    »Es gibt kein Wettschießen!« Losskow kam vom Cockpit und nahm Trosky den Bogen ab, bevor dieser ihn mit beiden Händen umklammern konnte. Ein paar Sekunden lag unheilvolle Stille zwischen ihnen. Dann sagte Trosky leise: »Gib den Bogen her, Peer.«
    »Nimm das Bild ab!«
    »Nein! Meine Ziele bestimme ich! Morgen hefte ich deinen Kopf an!« Trosky streckte die Hand aus. »Den Bogen! – Ich warne dich, Peer! Ich habe mir hier etwas gebaut, was mich befriedigt, und ich lasse mir das nicht wegnehmen, solange mein Kopf noch oben sitzt! Ist das klar?«
    »Vollkommen!«
    Losskow nahm einen Pfeil, legte ihn auf die Sehne und spannte den Bogen. Er zielte kurz und ließ los. Der Pfeil schnellte weg und stak zitternd in der linken Brustwarze. Keiner klatschte. Keiner sagte ein Wort. Alle starrten sie auf den Pfeil, als habe er wirklich eine weibliche Brust durchbohrt. Helena spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten.
    »Eine Zwölf, Trosky!« sagte Peter laut. »Ich bekomme eine Flasche Bordeaux von dir. Einverstanden! Wir legen ein Schußbuch an. An Land rechnen wir dann später ab.«
    Er warf den Bogen Trosky zu, der ihn auffing und dann fallen ließ. »Spielverderber!« sagte er dumpf. »Aber ich werde üben, üben, üben, bis du mir nichts mehr vormachen kannst!«
    Am Abend sagte Helena, während sie mit Peter die Segel für die Nachtfahrt reffte: »Mußte das sein mit dem Pfeil, Peer?«
    »Ja. Er braucht einen Gegner, sonst kann er nicht leben. Das begreife ich jetzt.«
    »Er wird dich jetzt noch mehr hassen.«
    »Er haßt nicht mich, er haßt nur sich allein. Ich weiß nicht, warum.«
    Am nächsten Morgen übte Trosky wieder mit Pfeil und Bogen. Er hatte seine Drohung wahr gemacht: Auf die Scheibe hatte er Peters gezeichneten Kopf gespannt und traf im Laufe des Tages viermal seine Augen oder die Nasenwurzel.
    Sonne und Meer, unendliche Weite, Stille bis auf das Klatschen der Wogen, das Knirschen der Segel, das Rollen des Bootes, das immerwährende monotone Rauschen des Windes. Töne, die schon bald keine Töne mehr waren, die man nicht mehr wahrnahm, die zum Leben gehörten und deren Aussetzen eine Katastrophe signalisiert hätte. Endlos dehnten sich die Stunden, trotz der Arbeit an Bord und den nunmehr aufgenommenen wissenschaftlichen Untersuchungen. Peter von Losskow hatte auch das geplante Buch begonnen, aber sein Bericht verriet schon auf den ersten Seiten immer wieder die Erkenntnis: Wir gehen uns alle gewaltig auf die Nerven.
    Es hatte sich längst erwiesen: Das Boot war zu klein für vier Erwachsene. Es gab nicht genug Plätze, wohin einer sich zurückziehen konnte, wenn er sich der Versuchung erwehren wollte, dem anderen ins Gesicht zu schlagen. Immer hockte man zusammen, immer sah man sich, immer stieß man sich, fühlte sich, roch sich, hörte sich.
    Am schlimmsten waren die Abende. Da legte Helena ihre Schallplatten auf. Tschaikowskij und Beethoven, Wagner und Bruckner, ab und zu mal eine Operette. Und wenn Trosky bellte: »Ich will einen Rock hören!« bellte sie zurück: »Musik ist Kultur! Verstehst du überhaupt was davon?!«
    Dann verkroch sich Trosky in seiner Koje oder saß mit verbissener Miene an Deck, trat nach Mr. Plump, wenn dieser ganz zahm über die Planken spazierte, oder er sagte zu Peter: »Eines Tages, das schwöre ich dir, benutze ich diesen Beethoven als Zielscheibe! Wer hält das aus? Immer bumdadabum … bumdadabum …« Himmel und Meer, Sonne und ab und zu ein Regenschauer, Windflauten, in denen sie tagelang fast auf der Stelle blieben, was Trosky Anlaß gab, Peter immer wieder als Idiot zu bezeichnen, weil er keinen Hilfsmotor eingebaut hatte.
    Einsamkeit, Hitze. Drückende Schwüle. Ein Ozean wie Blei. Lucrezia lag nackt auf dem Brückendeck unter einem aufgespannten Sonnensegel und döste. Peter schrieb an seinem Buch, Helena las Romane oder hörte ihre Schallplatten. Trosky schoß mit Pfeil und Bogen und wechselte jeden zweiten Tag die Scheiben: Peters Kopf, ein Haimaul, neue Frauenbrüste, das amerikanische Sternenbanner, das besonders viel hergab, weil Trosky jeden Stern einzeln ausschoß.
    Dreiundvierzig Tage lang nur vier Menschen und ein paar Segel, nackte Körper und Beethovenmusik. Dreiundvierzig Tage Aufladen mit Haß.
    Eines

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