Die Fahrt nach Feuerland
nicht. Er hielt die Helu voll in den Wind, mit geblähten Segeln schoß das Boot durch die kräftige Dünung.
»Also keinen Kompromiß?« fragte Trosky laut.
»Nein!«
»Auch gut.« Er stand auf, ging zum Bug, aber als er an Peter vorbeiging, sagte er drohend: »Das macht euch Deutsche so unsympathisch: Ihr wollt immer recht haben!«
An diesem Tag sprach Trosky mit keinem ein Wort, selbst mit Mr. Plump nicht mehr, der ihn anknurrte. Erst als er seine Nachtwache antreten wollte, brach er sein gefährliches Schweigen. Von Helena hatte Losskow wieder das Ruder übernommen.
»Ich werde also ausgesperrt?« Trosky drückte das Kinn an. »Kein Nachtdienst?«
»Nein! Wir schaffen das allein.«
»Ich weiß nicht, warum ich dich nicht umbringe.«
»Es gäbe Schwierigkeiten.« Losskow öffnete die Öljacke. In seinem breiten Gürtel trug er offen und schußbereit eine Pistole.
»Soweit sind wir also schon?« sagte Trosky und schluckte mehrmals, als ersticke er.
»Ja. Soweit sind wir!«
Trosky sah Losskow lange schweigend an, ging dann zum Bug und setzte sich auf die Ankerwinde. Unbeweglich starrte er über das Meer, das in der Abenddämmerung grün und dann schwarz wurde, abstoßend und feindlich, mit seinen Wellen in den Himmel hineinschwappend.
Nicht nur Trosky veränderte sich von Tag zu Tag, auch Lucrezia erlag der zermürbenden Eintönigkeit.
Es fing damit an, daß sie jetzt nur noch nackt auf dem Boot herumlief und plötzlich zu Helena sagte: »Wie lange hält dein Heiliger das aus? Soll ich ihn anfallen?«
»Ich schlage dich grün und blau, wenn du das tust!« antwortete Helena.
Aber das war nur der Anfang. Lucrezias neue Art war es, aufsässig zu werden und Losskow patzig zu entgegnen, wenn er ihr etwas zurief: »Zieh die kleine Fock gerader!«
»Nein! Ich habe keine Lust! Komm her und tu's selbst!«
Dann stellte sie sich aufreizend, in einer geradezu gemeinen Pose, an den Mast und wartete darauf, daß Peter zu ihr kam. Er tat es nicht. Helena besorgte dann den Segeldienst, von Troskys dröhnendem Lachen begleitet.
»Der Kampf der Grazien!« schrie er. »Welche Wonne, das anzusehen!«
Das Leben an Bord wurde immer mehr zur Qual, der Ton immer gereizter, das Benehmen immer rüder. Es kam zu unerwarteten Explosionen, ausgelöst durch lächerliche Bagatellen, etwa, wenn Trosky nach einem Mittagessen aus Bratkartoffeln, Rührei und Zwiebelgemüse laut rülpste und ebenso kräftig furzte.
»Du Sau!« schrie ihn Losskow an und ballte die Fäuste.
Und Trosky antwortete: »Über meinen Darm verfüge ich!«
Auch Losskow erlag seinen Aggressionen. Mit Schrecken bemerkte er, daß er anfing, Trosky zu verstehen, wenn dieser mit Pfeil und Bogen auf Köpfe oder Brüste schoß. Ein paarmal wollte Losskow sagen: »Gib mir auch mal den Bogen!«, aber dann zwang er sich, etwas anderes zu tun, zum Beispiel aus Holzscheiten bizarre Figuren zu schnitzen. Wenn er angelte, verwendete er die kleinen Fische wieder als Köder und freute sich, wenn er sah, wie größere Fische die kleinen schluckten. Die großen, die er herausholte, erschlug er mit einem Knüppel und empfand dabei tiefe Befriedigung.
Dramatisch wurde es, wenn Helena ihren Plattenspieler anstellte. Dann rannte Trosky über Deck, beide Hände gegen die Ohren gepreßt, und brüllte heiser: »Hilfe! Hilfe! Bumdadabum! Bumdadabum! Bringt denn keiner diesen verdammten Beethoven um?!«
Die Helu durchpflügte den Atlantik mit allen Segeln. Der Wind hatte gute 40 Knoten, die See war unruhig, aber nicht gefährlich. Ein paarmal lief das Cockpit voll, wenn hohe Wellenkämme über Bord brachen und die Helu gewaltig durchschüttelten. Trosky schlug vor, das Genua-Segel zu reffen und nur mit der Fock zu fahren, aber Losskow lehnte ab.
»Ich muß diesen Wind ausnützen!« schrie er über Deck. »Wir haben das Boot doch fest in der Hand!«
Es waren nun fünf Tage vergangen, seit Trosky eigenmächtig den Kurs geändert hatte. Drei Nächte hielt Losskow durch, dann fiel er um und schlief neunzehn Stunden. In diesen Stunden brachte Trosky die Helu wieder auf Feuerland-Kurs, natürlich gegen Helenas Protest.
»Mädchen, bleib vom Steuer!« sagte er böse, als sie ins Cockpit kam. »Ich schlage zu, das schwör' ich dir, auch wenn du ein noch so schönes Gesicht hast. Du kannst deinen Liebling rufen und um Hilfe bitten, aber der kommt in den nächsten Stunden nicht mehr auf die Beine. Jetzt habe ich das Kommando!«
So war es. Vergeblich rüttelte Helena den schlafenden
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