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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schick uns einen Wind. Einen ganz kleinen Wind. Wir sind gerettet, wenn wir einen Hauch in unseren Segeln spüren.
    In einer Nacht machte Losskow eine alarmierende Entdeckung.
    Die heiße Schwüle in der Kajüte trieb ihn an Deck. Im Cockpit, wo er jetzt sein Lager aufgeschlagen hatte, saß Trosky, mit dem Rücken zum Niedergang, und hörte nicht, daß Losskow an ihn herantrat.
    Er war beschäftigt. Aus einer flachen Silberdose hatte er sich eine Prise von einem weißen Pulver auf den linken Handrücken geschüttet, betrachtete sie verzückt und schnupfte sie dann in beide Nasenlöcher. Darauf holte er tief Atem, saß ein paar Sekunden wie erstarrt und schien nach innen zu horchen.
    »Das war ein kräftiger Zug!« sagte Losskow voll Bitterkeit.
    Trosky wirbelte herum, als habe man ihn in den Nacken geschlagen. Seine dunklen Augen glühten. »Du verdammter Schnüffler!« zischte er. »Du verfluchter Leisetreter! Was schleichst du hier herum?«
    »Seit wann schnupfst du?«
    »Schon immer! Ist das etwa auch verboten?« Trosky zog die Strickjacke enger um sich. Nachts wurde es sehr kühl auf dem Ozean, aber die Luft war herrlich klar, man konnte durchatmen, anders als an den heißen, windstillen Tagen. »Keine Weiber, Alkohol nur dosiert, nun auch kein Tabak mehr?«
    »Das war kein Tabak, Jan!«
    »Was denn sonst, du Klugscheißer?!«
    »Es gibt keinen weißen Tabak.«
    »Er ist in der Sonne gebleicht.« Troskys Gesicht war finster und voll Abwehr.
    »Und hört auf den schönen chemischen Namen Methylbenzoylecgonin. Oder einfacher: Kokain. Wo hast du das Teufelszeug her?«
    »Teufelszeug? Über diese Definition kann man streiten. Es gibt nichts Besseres, um die Gehirntätigkeit zu steigern. Wenn man richtig schnupft, jubiliert das Zentralnervensystem. Und das haben wir verdammt nötig. Sonst jubiliert hier ja nichts mehr.«
    »Du bist also ein Kokser!« sagte Losskow.
    »So kann man das nicht nennen. Ich möbele mich nur auf.«
    »Mit Rauschgift!« schrie Losskow.
    »Das so alt ist wie die Menschheit! Die Mayas und Inkas sprachen dem Colastrauch göttliche Eigenschaften zu. Wenn die Aztekenpriester ihre Menschenopfer darbrachten und besonders schönen Jünglingen das Herz aus der Brust schnitten, um es dem Sonnengott zu weihen, dann kauten sie vorher Colablätter, bis der Saft des Breies ihre Hirne in den Himmel hob. Also gut« – Trosky zog eine Wolldecke über sich und rollte sich im Cockpit zusammen – »ich schnupfe Koks. Und nun schleich dich wieder weg zu den Weibern und schlag Alarm!«
    »Im nächsten Hafen verläßt du das Boot!« sagte Losskow hart. Trosky hob den Kopf und blinzelte ihm zu.
    »Wo wird das sein, Sir?«
    »Ich ändere den Kurs und laufe Brasilien an. Sobald ich Land sehe, fliegst du von Bord! Ganz gleich, wo! Ist das klar?«
    »Überleg es dir, Peer!« sagte Trosky ruhig.
    »Da gibt es nichts mehr zu überlegen.«
    »Überleg es dir genau, Käpt'n!«
    »Kannst du überhaupt noch ohne das verfluchte weiße Pulver leben?«
    »Ich kann, mein Bester. Ich war schon davon. Als wir uns kennenlernten, war ich sauber wie ein gebrühtes Ferkelchen. Aber dann hatte ich eine so dumpfe Ahnung von dem, was kommen würde und was ja auch eingetroffen ist! Da habe ich mir einen Vorrat mitgenommen, und als ich sah, wie wir anfingen, uns alle anzukotzen, hab' ich wieder geschnupft. Ich fühle mich prächtig.«
    »Jetzt wird mir vieles klar, was ich vorher nicht verstanden habe. Es gibt zwei Troskys: Einen, den ich in Hamburg kennenlernte und dem ich vertraute, und den, der jetzt an Bord ist!« Losskow sah auf Trosky hinunter. Er lag auf der Matratze und grinste breit. In seinen Augen flimmerte der Glanz des Giftes, die Pupillen waren geweitet, der Blick war seltsam starr. »Die wievielte Prise war das heute?«
    »Die erste. Ehrenwort.«
    »Hast du noch eine Ehre?«
    Trosky hob den Kopf. »Diese Frage vergiß schnell, mein Junge«, sagte er dumpf. »Da bin ich unheimlich empfindlich, vor allem, wenn das ein Deutscher zu einem Tschechen sagt! Geh endlich unter Deck, du germanischer Clown!«
    Losskow wandte sich wortlos ab und stieg die Treppe hinunter. Helena erwartete ihn im Salon, in einem dünnen, durchsichtigen Hemdchen, um die Schultern einen Wollschal. Das Licht der Gaslaterne durchdrang das feine Gewebe: Nacktheit hinter streichelnden Schleiern.
    »Ich bin aufgewacht«, sagte sie leise. »Gerade, als du an Deck gingst. Ich hörte euch sprechen. Schon wieder Krach?«
    »Nein.« Losskow setzte sich Helena

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