Die Fahrt Zu Den Sternen
Calum hatte einen Volltreffer gelandet – den vielen Akten nach zu urteilen, hatte er das Hauptbüro gefunden.
Jemand hatte Zeit und Energie darauf verwandt, die Kunststoff-Büroschränke auf hohe Sockel zu stellen, um sie oberhalb des Wasserspiegels zu halten.
Der Raum enthielt mehrere Kommunikationsgeräte von sichtlich hoher Qualität, aber Calum mußte sich unwillkürlich fragen, ob sie unter all dem Schimmel, der sie bedeckte, überhaupt noch funktionsfähig waren. Er wischte so viel Unrat von der Zentralkonsole, wie er konnte, und drückte den Hauptschalter. Die Anlage klickte mehrmals vergeblich, bevor er zu der Einsicht gelangte, daß es keine Energieversorgung mehr gab.
Stirnrunzelnd ging er zurück nach draußen, wo er Solarkollektoren auf dem Dach entdeckte. Das Material, aus dem solche Paneele üblicherweise gefertigt wurden, konnte nicht verrotten oder anderweitig kaputtgehen. Allerdings brauchten die Solarzellen mindestens vier Stunden Sonnenschein, um die Funkanlage im Gebäude in Betrieb nehmen zu können. Und im Westen sammelten sich schon wieder Wolken. Das braut sich ja ganz schön schnell zusammen, dachte er, als ihm einfiel, daß sie bei wolkenlosem Himmel gelandet waren und bei ihrem Anflug von Westen her keine derartige Wetterfront hatten heraufziehen sehen.
Merkwürdig! Und dabei gab es nicht einmal den Hauch einer Brise, der die spiegelglatte Oberfläche des überfluteten Landefelds gekräuselt hätte.
In der Ferne erspähte er Acorna und sah, daß sie sich zum Grasen auf alle viere niedergelassen hatte. Er war froh, daß wenigstens sie etwas Glück gehabt hatte; hoffentlich würde auch er noch seinen Anteil abbekommen. Irgend etwas mußte defekt sein, daß die Solarkollektoren versagt hatten.
Womöglich waren die Stromkabel verschlissen, die von den Paneelen zu den Energiespeichern führten. Dann entdeckte er die an der Giebelseite des Gebäudes befestigte Steigleiter, die ihm Zugang zu den Dachkollektoren ermöglichen würde. Er würde einfach mal nachsehen. Und tatsächlich, die vom Regen aufgeweichten, hölzernen Trägerleisten der Energieleitung waren vom Dach gestürzt und hatten die Kabelanschlüsse aus den Buchsen der Solarzellen herausgerissen; das Stromkabel selbst lag in einer Pfütze drunten am Boden, wo seine Isolierung wegrottete. Nun, er hatte mehr als genug Kabel dieser Stärke im Schiff, also kletterte er wieder hinunter und stapfte zur Acadecki hinüber, holte einen Werkzeuggürtel mit den Utensilien und dem Material, das er brauchte, und watete anschließend wieder zum Gebäude zurück.
Er brauchte nicht lange, um sein Ersatzkabel zu verlegen und anzuschließen. Und da die Sonne ja schon eine Zeitlang geschienen hatte, beschloß er, einfach auszuprobieren, ob die von den Kollektoren dabei angesammelte Energie schon ausreichte, mit der Komanlage jemanden auf dem Planeten zu erreichen. Also marschierte er noch mal in das heruntergekommene Gebäude. Strom hatte er jetzt tatsächlich, und so setzte er eine kurze Funkmeldung ab, in der er um ein Treffen mit irgendeinem Handlungsbevollmächtigten auf dem Landefeld bat, um über den Verkauf von frischem Saatgut für eine Hydroponikanlage zu verhandeln. Dann trottete er zur Acadecki zurück, um etwas zu Mittag zu essen und auf das Eintreffen von jemandem zu warten, der den Funkruf gehört hatte.
Das war der Grund dafür, warum er weder bemerkte, wie Acorna aufgeregt in seine Richtung gestikulierte, noch ihre fernen Rufe hörte, die versuchten, ihn vor der Flottille bunt zusammengewürfelter, vor allen möglichen Arten improvisierter waffenstarrender Wasserfahrzeuge zu warnen, die geradewegs auf ihn zusteuerte. Das erste, was er von einer drohenden Gefahr mitbekam, war ein unfreundlicher Zuruf aus dem führenden Boot: »Wart’ nur, gleich harn’ wir dich, du verdammter Pirat!«
Uups, dachte Calum und hegte den Verdacht, daß Kezdets seit kurzem deutlich gebesserte interstellare Reputation möglicherweise noch nicht bis nach Rushima vorgedrungen sein mochte. Zum ersten Mal war er von ganzem Herzen dankbar für ihren überstürzten Aufbruch, der ihn daran gehindert hatte, Mercy den Vorschlag zu unterbreiten, ihn und Acorna auf ihre Reise zu begleiten – damit Acorna weibliche Gesellschaft hatte, das wäre jedenfalls seine Ausrede gewesen.
Seine süße, sanfte Mercy war jedoch in ihren aktiven Tagen –
als Spionin der Kinderbefreiungsliga in den Büros der korrupten Kezdeter Polizei – schon mehr als genug Gefahren
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