Die Fahrt Zu Den Sternen
Rushima zu grasen. So weit ihre fernsichtigen Augen jedoch blicken konnten, gab es da nicht viel Verlockendes zu erspähen. Aber sie brauchte etwas zu essen.
»Bäume, da drüben, Acorna!« rief Calum, und zeigte auf einen kleinen Hügel in der Ferne, hinter dem Schiff. »Hör mal!
Geh du da rüber und sieh nach, ob es dort irgend etwas Eßbares gibt.« Er blickte auf das Wasser hinunter, das sie umgab. »Ich werde zu dem Gebäude da drüben rüberwaten und sehen, was ich dort entdecken kann. Vielleicht sogar ein Bodenfahrzeug… streich das: Was wir brauchen, ist ein Wasserfahrzeug.« Er musterte die Lauframpe, die von der Schiffsschleuse zum Erdboden hinunterführte. »Sieht gar nicht so tief aus.« Die Vorderkante der Rampe lag nur ein paar Zentimeter unter Wasser.
Fröhlich stieg er von der Rampe und stand knöcheltief im Wasser. Sein nächster Schritt ließ ihn bis zu den Knien in den Fluten versinken. Er drehte sich einfältig grinsend zu Acorna um.
»Muß ein Graben oder so was sein«, meinte er.
»Nun, ich kann wenigstens dafür sorgen, daß wir sehen, wo wir hintreten«, erwiderte sie, kniete sich auf der Rampe nieder und beugte sich so weit vor, bis ihr Horn das Wasser berührte.
Ein paar kreisende Bewegungen, und die verschlammte, stinkende Flutebene klarte sich wie durch Zauberei auf. Sie tauchte ihren Mund in das jetzt saubere Wasser und trank.
»Hmm, schmeckt eigentlich recht gut, ohne die Verunreinigungen. Da waren übrigens auch Düngemittel im Wasser aufgelöst.«
»Wirklich? Die müssen hier in echt schlechter Verfassung sein. Die eine Hälfte des Planeten ist zu Schlacke verbrannt, und der Rest der Liegenschaften steht unter Wasser. Irgendwas ist da faul. Das Ganze ist einfach unnatürlich.«
Acorna trat von der Rampe herunter. »Also, mir gefällt’s! Ist ein wundervoll kühles Gefühl um die Hufe herum.« Sie grinste vor kindlichem Vergnügen. Auf dem Schiff trug sie selten Fußbekleidung. »Ich werde nicht lange weg bleiben. Ich kann jetzt sehen, wo ich hintrete, und auf der ganzen Strecke bis zum Hügel rüber ist es überall nur ungefähr knöcheltief.«
Damit brach sie auf, planschte im Dauerlauf durch das Wasser und machte gelegentlich auch ein paar übermütige Weitsprünge, wobei ihr ausgelassenes Lachen bis zu ihm herübertönte.
Jetzt, wo er durch das Wasser hindurchsehen konnte, stieg Calum mühelos über die schmalen Gräben hinweg, die ihn beinahe hatten versinken lassen, bevor Acorna die Dinge bereinigt hatte. Die Furchen im Schlamm waren wahrscheinlich von Fahrzeugrädern in den weichen Untergrund der Landefläche gewühlt worden. Merkwürdig, daß man das Gelände nicht gepflastert hatte. Aber andererseits war es eben eine neue Kolonie, und höchstwahrscheinlich hatte man hier weder Zeit noch Geld für solchen Luxus.
Weder Zeit noch Geld für überhaupt allzu viel, schlußfolgerte er, als er den Zustand der Gebäude am Rand des Landefelds sah. Sie machten einen unbewohnten und vernachlässigten Eindruck, mit toten Rankengewächsen, die sich an ihre Mauern klammerten. Die Pflanzen waren nur noch wenig mehr als matschige Stengel, die noch nicht umgefallen waren, um sich zum bereits im Schlamm faulenden Rest der Gewächse zu gesellen. Das eine Gebäude stand auf leicht erhöhtem Grund, so daß das Wasser es noch nicht ganz erreicht hatte… obwohl es ganz so aussah, als ob es erst kürzlich überflutet gewesen wäre, vielleicht im Zuge der Katastrophe, die all dieses Wasser auf die Vegetation geschüttet hatte, die hier eigentlich hätte wachsen sollen. Auf einem feuchten, wüst verzogenen und gekrümmten, halb von Schimmel überzogenen Holzschild über der Tür stand zu lesen:
VERLADEZENTRUM WEST
ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN.
Die Tür fühlte sich schleimig an. Er wischte sich die Hand ab und drückte noch mal stärker dagegen, woraufhin die Tür sich empört knarrend allmählich öffnete. Augenscheinlich war hier seit Ewigkeiten niemand mehr gewesen. Allerdings mußte das Gebäude früher einmal in Gebrauch gewesen sein, denn es gab darin Bänke und Tische sowie Durchbrüche in der Seitenwand, die zu einem Kartenschalter und in ein Frachtabfertigungsbüro führten. Der Größe der dortigen Waagen-Plattform nach zu schließen, mußten hier schwere Ladungen durchgeschleust worden sein.
Nur eine Tür war verschlossen, und auch diese gab schon auf sanften Druck nach, als der von Feuchtigkeit durchtränkte Verschlußmechanismus aus dem aufgeweichten Holz herausfiel.
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